Gescheit(ert)e Diskussion

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(Was ist von Hitler geblieben?, Do., 20.4., 23 Uhr, ARD) „Was hat Hitler zerstört?“ - meinetwegen „„Haben wir Hitler überwunden?“ - ginge vielleicht auch noch an. Aber: „Was ist von Hitler geblieben?“ - das klingt fast so, als gäbe es da irgendetwas, das zu bewahren sich lohnt!

Eigentlich wollte ausgerechnet an diesem verfänglichen Datum niemand so recht diskutieren. Die israelische Historikerin Anat Feinberg, offenbar ziemlich spät in die Runde der ansonsten männlichen, deutschen Koryphäen geholt, fühlte sich wegen des Anlasses nicht wohl bei der Sache. Und Jürgen Kocka stellt gegen Ende befriedigt fest, daß über Hitler eigentlich kaum gesprochen worden war. Beide stießen bei den anderen auf Verständnis und Zustimmung. Warum, so fragt man sich irritiert, sind sie dann alle überhaupt der Einladung des Fernsehens gefolgt? War da auch Mediengeilheit im Spiel?

Immerhin: Rainer Zitelmann, Jahrgang 1957, stellt die nach Jahrzehnten der Verdrängung entscheidende Frge: Warum sind so viele Deutsche dem Rassenwahn und den Verbrechen des Nationalsozialismus freiwillig gefolgt? Und er war auch der Jüngste in der Runde, der auf etwas bisher wohl Unterschätztes hinweisen konnte: Das „Gute im Menschen“, den Idealismus, den die Nazis zu erwecken und meisterhaft für ihre verbrecherischen Zwecke auszubeuten verstanden.

Genauere Antworten konnte diese Diskussion nicht erbringen, weil die anderen Teilnehmer größtmögliche Distanz zum Thema hielten. Sebastian Haffner bediente sich einer bewährten Methode, indem er Hitler als vollkommen widerwärtigen, irrationalen Mörder erscheinen ließ, der sich sogar dem Rechts-links-Schema entzieht: Negative Mythologisierung der Person zum Untier, zu einem ganz anderen Wesen. Dabei war Moderator Jürgen Engert bereits mit seinen ersten Sätzen nahe an der Einsicht, daß der Mensch Hitler etwas verkörpert, das in uns allen steckt und das wir als solches benennen müssen, wenn wir zukünftiges Unheil vermeiden wollen. Aber Engerts tapfere Bemerkung: „Hitler ist unser“ blieb ohne Echo, freilich auch unwidersprochen.

Walter Jens, aber auch Jürgen Kocka und Christoph Stölzl bedienten sich einer anderen Methode. Sie hoben schnell auf die Meta-Ebene ab. Jens plädierte zwar dafür, Mein Kampf endlich wieder genau zu lesen, um Hitler das Numinose zu nehmen; aber er redete nur über die Notwendigkeit, das Attraktive des Nationalsozialismus zu verstehen, ohne es selbst zu versuchen. Zitelmann hatte dazu doch wenigstens ansatzweise ein konkretes Angebot zumachen.

Trotz allem war es natürlich eine gescheite Diskussion engagierter Intellektueller, nur leider, wie viele dieser Art, zu spät im Programm. Aber unter dem belastenden Vorzeichen dieses Datums mußten die besten Absichten scheitern. Offenbar ist der Jubiläums-Teufel in die Programmplaner der ARD gefahren. Klaus Bresser, der Chefredakteur des ZDF, hat klipp und klar gesagt, daß sich verdrängte Schuld besser bewußt machen läßt „an Tagen, an denen wir der Opfer gedenken, als an dem Tag, an dem der Täter geboren wurde“. Das ZDF hat an diesem Tag eine Gelegenheit für hohe Einschaltquoten ausgelassen. Damit hat es gezeigt, daß auch Journalisten auf Machbares verzichten können.

Horst Pöttker