Mag the knife

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(Das Jahrzehnt der Margaret Thatcher, Montag, ARD, 21.15 Uhr) Wer ist die Frau, die das englische Haus wieder in Ordnung brachte, so gründlich in ihre Ordnung brachte, daß die englische Industrieproduktion nach zehn Jahren Rezessionspolitik erst heute wieder den Stand von 1979 erreicht hat, daß sich die Zahl der Arbeitslosen verdoppelte? So gründlich, daß Großbritannien heute ein Erst -Zweit-Drittwelt-Land ist, mit immer breiteren sozialen Gräben, eine Zweidrittelgesellschaft, eine ehemalige Kolonialmacht mit inländischem Nord-Süd-Konflikt? Wer ist Maggie Thatcher und wo kommt sie her? ARD-Korrespondent Peter Merseburger stößt auf klare Linien, auf einen glatten Aufstieg, eine geplante Karriere. Sie ist eine Krämerstochter aus dem Kaff Grantham, mit den Tugenden der Provinz. Stets half sie im Laden des Vaters mit, hatte den Boden und die Konservenregale auf Hochglanz zu bringen. Sauberkeit war ein zeichen von Gottesfurcht, sagt sie, und durch sie spricht ihr Vater, Methodisten-Prediger und Bürgermeister. Eine alttestamentarische Erziehung: Fleiß, Sparsamkeit. Pflichtbewußtsein. Hart, tadellos, ambitioniert war sie, in der Schule, im Studium, in der Politik. „Meine Botschaft ist meine Lebenshaltung“, sagt sie, und das Betreiben von Geschäften ist Lebenssinn und -inhalt. Geldmachen zum Ruhme Gottes heißt ihre message. Da ist kein Platz für Kollektivismus, für Sozial- und Wohlfahrtsstaat. Die Zahl der Aktionäre hat sich in ihrer Regierungszeit verdreifacht, es gibt zehn Prozent mehr Hausbesitzer. „Die Armen sind in der Minderheit, das ist die ideale Formel, Wahlen zu gewinnen , beschreibt der konservative Ex-Premier Heath Thatchers Strategie.

Man hat sich kaufen lassen. Wie die Busfahrer von Sheffield, der ehemals glanzvollen Edelstahl-Metropole in Englands Norden. Vor Thatcher gab es zwei öffentliche Busunternehmen in Sheffield, jetzt fahren auf den Straßen die Busse von 48 privaten Unternehmern. „Natürlich war ich früher in der Gewerkschaft und habe Labour gewählt“, sagt einer von ihnen. „Jetzt wähle ich die Tories. Ohne Frau Thatcher wäre ich heute noch Busfahrer.“

Sie tut sich künstliche Tränen in die Augen, stilisiert sich zur Evita, sagen die Puppenspieler von Spitting Image, der bitterbösen Polit-Satire. „Sie hat bewiesen, daß Großbritannien seiner Männlichkeit nicht beraubt ist“, schwärmt Al Haig, zu Falkland-Zeiten US-Außenminister. Er hat diese Männlichkeit des Amtes nicht mehr und wirkt seltsam zerbrochen. Sie hat sie und genießt sie. Mit Ellenbogen drängt sie sich durch die Männerreihen nach vorn ins Gruppenphoto der EG-Regierungschefs. Ist Thatcher eine Frau? Ja, denn sie kocht Pulverkaffee, hat Zwillinge geboren und trägt eine Handtasche. Frau, Mann? Sie ist Margaret Thatcher. Und hat sich nie geändert. „The Lady is not for turning“, sagt sie selbst. Sie wird sich nie ändern, auch wenn Madame Tussauds Wachsfiguristen schon an der vierten Version der Eisernen basteln.

Hans-Hermann Kotte

utho