Japans Opposition steht auf wackligen Beinen

Nachdem klar ist, daß Regierungschef Takeshita zurücktritt, will die „ewige Opposition“ unter Führung der Sozialisten die Krise ausnutzen / Jahrzehntelang dominierte die Takeshita-Partei (LDP) die Politik / Schaffen die Oppositionsparteien den Zusammenschluß?  ■  Von Chikako Yamamoto

„Die letzte Chance ist da. Wir dürfen sie nicht verpassen.“ Diese Einschätzungen teilen alle Oppositionsparteien Japans, seit der Rücktritt Ministerpräsident Takeshitas klare Sache ist. Und es ist vielleicht wirklich die letzte, wenn nicht einmalige Chance für die Opposition in einem Land, das von einer Partei, nämlich der Liberaldemokratischen Partei (LPD) bis auf kurze Unterbrechungen seit Kriegsende hindurch regiert wurde. Der Recruit-Korruptionsskandal hat die Machtposition der ewig siegessicheren LDP schwerer erschüttert als anfänglich erwartet. Der „ewigen Opposition“ könnte diese Regierungskrise eine letzte Möglichkeit geben, die Initiative zu ergreifen.

Doch dies fällt Politikern, die lange Zeit der Willkür der LDP ausgeliefert waren, nicht leicht. Die Sozialisten (SPJ), die größte Oppositionspartei in Japan, setzten ihre Hoffnung darauf, zunächst ein knappes Stimmenverhältnis zwischen der LDP und der Opposition im Unterhaus zu erreichen. Dort hat die LDP die absolute Mehrheit mit mehr als 300 von insgesamt 512 Sitzen. Die SPJ kommt auf 85 Abgeordnete.

Um dieses Ungleichgewicht zu ändern, sei es gerade jetzt, wo die Regierung unter Takeshita bei Meinungsumfragen ihren Tiefstpunkt erreichte, günstig, vorzeitige Wahlen durchzuführen, so die Sozialisten. Bewegung in die Stimmenlandschaft zu bekommen wäre der erste Schritt für einen Regierungswechsel bei der übernächsten Wahl. Deswegen werden die Sozialisten ihren Druck nun verstärken, das Unterhaus bald aufzulösen.

Das können sie jedoch nicht allein erreichen. Die Vorsitzende der SPJ, Takako Doi - erste und einzige Partei -Chefin im patriarchalischen Japan - traf sich daher auch schon mit Vertretern dreier anderer Oppositionsparteien: ein seltenes Ereignis in der japanischen Politik. Im Laufe der Beratungen einigte man sich darauf, einen Ausschuß für Koalitionsberatungen ins Leben zu rufen. Angesichts der unterschiedlichen politischen Vorstellungen der vier Parteien ist allerdings kaum zu erwarten, daß konkrete Programme vorgelegt werden.

Die Sozialisten zielen langfristig auf ein „blockfreies, neutrales und unbewaffnetes Japan“, in dem die Selbstverteidigungsarmee und der Sicherheitsvertrag zwischen Japan und den USA (Ampo-Vertrag) als letzte Schritte aufgelöst werden. Die Sozialisten wissen, daß eine solche Politik nur schwer durchsetzbar ist. Die Demokratische Sozialistische Partei (DSP) beharrt beispielsweise auf der Beibehaltung des Ampo-Vertrages. Die ursprünglich von einem rechten Flügel der Sozialisten gegründete Partei war und ist einer Koalition mit der Regierungspartei LDP nicht abgeneigt. Daß sie dennoch derzeit am Verhandlungstisch mit den Sozialisten sitzt, hat Gründe: Zum einen kann sie bei dem derzeitigen Tiefpunkt und Negativimage der LDP nicht ohne eigenen Schaden eine Koalition mit der Recruit -gebeutelten Regierungspartei anstreben. Zudem ist der ehemalige Parteivorsitzende der DSP zurückgetreten, weil auch er in den Recruit-Skandal verwickelt ist. Die Partei möchte offenbar so schnell wie möglich die Akten schließen.

Die Japans größter buddhistischer Organisation nahestehende Komei-Partei steht zwischen beiden Parteien und hat häufig eine vermittelnde Rolle eingenommen. Sie hält den umstrittenen Ampo-Vertrag für unvermeidbar und will die Selbstverteidigungsarmee, deren Budget das vierthöchste weltweit ist, halten. Auf dem energiepolitischen Sektor ist die Komei in letzter Zeit vorsichtiger geworden und spricht sich mittlerweile für den langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie aus, während die DSP einen Pro-Atomkurs fährt. Die Sozialisten setzen schon länger auf Ausstieg.

Die Komei ist entgegen der Sozialisten-Linie von der Auflösung des Unterhauses bzw. baldigen Neuwahlen nicht gerade begeistert. Denn ihr Vorsitzender ist in ein anderes Aktiengeschäft verwickelt und einer ihrer Abgeordneten - wie könnte es anders sein - in den Recruit-Skandal. Auch sie neigt, wie die DSP, eher zu Bündnissen mit der Regierungspartei LDP. Momentan bleibt der Komei wohl nur die Opposition.

Vierter Verhandlungspartner der Sozialisten ist eine winzig kleine Sozialistisch-demokratische Union (SDU), eine linke Splitterpartei der Sozialisten. Sie steht der SPJ, ihrer „Mutterpartei“, am nächsten. Von dieser Viererrunde ausgeschlossen sind die Kommunisten (JKP). Die JKP ist nämlich die einzige Oppositionspartei, die mit dem Recruit -Skandal nichts zu tun hat. Selbst die Sozialisten haben ihre Leichen im Keller.

Die langjährige Herrschaft der LDP hat die Opposition ziemlich gelähmt. Zu lange spielte sie nur eine Nebenrolle, und immer unter Regie der LDP. Obwohl die LDP nun von allen Seiten angeprangert wird, ist sie weiter Hauptakteurin wenn auch als Angeklagte. Meinungsumfragen belegen zwar das verlorene Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung Takeshita, sie zeigen aber auch, daß nach wie vor die LDP erste Partei bleibt.