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„Wir können von den USA viel lernen“

■ AL-Fraktion begrüßt mit der SPD den Besuch von US-Präsident Bush in Berlin Gleichzeitig soll gegen ihn demonstriert werden / CDU: „Ein Spagat des Senats“

Die Fraktionen von SPD und AL stellten gestern im Abgeordnetenhaus per Abstimmung klar, daß sie die Einladung an den amerikanischen Präsidenten George Bush nach Berlin begrüßen. Anlaß zu diesem Bekenntnis waren eine aktuelle Stunde und ein Dringlichkeitsantrag, den die oppositionelle CDU einbrachte, nachdem AL-Vorstandsmitglied Ströbele in der letzten Woche in einem Interview der taz erklärt hatte, Bush sei „kein willkommener Gast“ in Berlin.

Der Regierende Bürgermeister nahm die Herausforderung an und nutzte die Gelegenheit, sowohl sein Verhältnis zu den Amerikanern als auch das zu Herrn Ströbele klarzustellen. Manche Reaktionen, so sagte Momper gestern, erschienen ihm doch „allzu schematisch und reflexhaft“ zu sein. Er stellte aber nicht in Abrede, daß Proteste im demokratischen Staat „legitim sind, wenn sie friedlich verlaufen“. Das gefiel der CDU gar nicht. Der zum Reformflügel der Partei zählende Jürgen Adler wollte denn auch von Momper wissen, wie der Senat diesen Spagat aushalten will, daß ein Teil der Senatoren zum Besucherspalier gehöre, während der andere Teil „die Gewalt auf der Straße organisiert“.

Die Erklärung des Regierenden war sachlich. Die Amerikaner akzeptierten als gute Demokraten das Ergebnis der Berliner Wahlen, berichtete er seinen von seiner Washington-Reise mitgebrachten Eindruck. Mit „Aufgeschlossenheit“ und „freundlicher Neugier“ sei ihm in den USA begegnet worden. Die Amerikaner verstünden sich heute nicht mehr allein als Schutzmacht, sondern als „Partnerin der Stadt und ihrer Bürger“. Ziel des Senats sei es, zu einer „selbstbewußten Partnerschaft“ mit den Alliierten zu kommen.

Die Tatsache, daß der Status der Stadt unangetastet bleibe und akzeptiert werde 'dürfe nicht zu einem „Denkverbot“ verkommen, meinte Momper und unterstützte damit die Diskussionen in der AL um eine Änderung des sogenannten „inneren Status“. Je mehr die äußere Bedrohung tatsächlich und im Bewußtsein der Menschen gesunken sei, sei das Bedürfnis nach „vernünftigen Regelungen“ im zivilen Zusammenleben gestiegen.

„Wir haben von den USA viel zu lernen“, sagte dann zur Überraschung mancher Anwesender der ALer Albert Statz. Die Aktionen des „zivilen Ungehorsam“ nannte er als Beispiel, die von den dortigen Gerichten ganz anders gewertet würden. Demonstrieren gegen Bush werde die AL aber trotzdem - und „alle Ebenen des politischen Gesprächs nutzen“. Denn: „Diplomatie und Demonstration“ seien kein Gegensatz.

bf

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