DIE GLEICHE SPRACHE SPRECHEN!

■ Offener Brief an Eva Haule, betr. taz-Dokumentation vom 14.4.89

In Hinsicht dessen, was ich Dir zu „sagen“ habe, ist es wohl auch wichtig, zunächst darauf hinzuweisen, daß ich der Kategorie der „sozialen“ Eingeknasteten (mit politischem Bewußtsein) zuzurechnen bin - als solcher möchte ich auch zu Dir „sprechen“.

Ich glaube, nein, ich bin überzeugt, daß Dein Brief nicht nur als ein wichtiger Schritt, sondern als ein Signal verstanden wird (gerade in den Reihen der politisch interessierten „Sozialen“ drinnen und draußen), welche/r/s klar und verbindlich zu verstehen gibt, das seitens der „Politischen“ eine Ebene gesucht und gefunden wurde, die „eine andere Auseinandersetzung“ möglich macht. Unübersehbar, und sehr wichtig, ist hierbei auch das von Dir/Euch demonstrierte Bemühen zur Überwindung der „Sprachbarrieren“ zwischen „Politischen“ und „Sozialen“.

Entsprechend meinem eigenen Empfinden, wie aber auch auf Grund klarer Aussagen interessierter Mit-Eingeknasteter, zeichnet sich doch klar ab, daß sich „normal„ -vollzugsinterne Aktivitäten in Richtung Widerstand (parallel zum Widerstand in Iso-Knast und draußen) nur dann breitflächiger organisieren läßt, wenn die „Basis“ in der Lage ist, sich verständlich, also dem Intellekt der „Sozialen“ angepaßt zu artikulieren. (All denjenigen Kämpfern, die sich jetzt „auf den Schlips getreten fühlen, möchte ich in aller Klarheit sagen, daß ich uns hier kein „mangelndes Begriffsvermögen“ andichte!). Gerade das aber ist in der Vergangenheit, speziell in bezug auf Zusammenlegungs-Forderungen, mehr als nur versäumt worden.

Sicherlich ist die Kritik, daß die „Sozialen“ sich in ihren Aktivitäten vorrangig um „Verbesserungen“ ihrer Situation einsetzen, statt das gesamte System anzugreifen, nicht ganz unberechtigt. Berücksichtigt werden sollte hierbei allerdings doch, daß viele den „Einstieg“ eben aufgrund der „abtötenden ideologischen Debatten“ und des „sich gegenseitig volles Rohr den Kurs um die Ohren hauen“, hinsichtlich der damit verbundenen „Sprachbarrieren“ verpaßt haben.

Wenn ich (und andere) mich bisher nicht hinter die Zusammenlegungs-Forderungen stellen, sie nicht unterstützen konnten, so lag das letztendlich doch daran, daß ich das in diesem Rahmen von Euch bisher propagierte aus meinem eigenen Verständnis heraus als Abgrenzung gegenüber den „Sozialen“ interpretierte. Das „leichte Durchschimmern“ eines „Sich -Öffnens“ als pure Taktik zur Erreichung eines möglichst breiten Unterstützungskreises mit dem Ziel der Schaffung eines „elitären Knasts“ im Knast - nicht anders sahen meine Gedanken aus.

Lese ich dann aber Zeilen (und diesbezüglich ist's für mich sehr wichtig, daß das keine Interpretation aus bisher Propagierten von knastsituationsbezogenen „Outsidern“ sind, sondern klare Aussagen von Dir/Euch, und somit auch verbindlich!) wie: „Mit wem will ich diese große politische Auseinandersetzung? - Dann ist es so für mich: mit allen, die das aus ihrer existentiellen Erfahrung (subjektiv, moralisch, materiell... wie auch immer) spüren und begreifen, daß wirklich Schluß sein muß mit der Zerstörung im System und es dagegen darum geht, eine grundsätzlich andere, an den Menschen orientierte gesellschaftliche Realität durchzusetzen - in den einzelnen Kämpfen und über sie raus als Umwälzungsprozeß“, dann sehe ich mich direkt angesprochen, weil ein gemeinsames und klar umrissenes Ziel vorhanden.

Den kämpfenden „Sozialen“ den Anspruch “... ganz klar auf der Seite des revolutionären Projekt stehen“ näher zu bringen, ist gleichbedeutend damit, daß Abstand vom “... nur mit Formeln hantieren“ genommen, und die gleiche Sprache gesprochen wird. Und Dein Brief beweist ja: es geht!

Solidarische Grüße für Dich und alle hungerstreikenden/kämpfenden Gefangenen.

Achim Arlt, Geldern