Streit um geplantes Aidshaus

Ein Hamburger Pflege-Modellprojekt macht Fehler im Gesundheitswesen deutlich / Sollen Aidskranke in staatliche Pflegeeinrichtungen? / Erfahrungen von Selbsthilfegruppen nicht berücksichtigt  ■  Aus Hamburg Brigitte Jakobeit

Wird es ein „Sterbehaus“, werden unheilbar Kranke in eine „Endstation Aidshaus“ eingewiesen? Der Anlaß für derlei Schlagworte ist ein von der Stadt Hamburg geplantes, im „Landesbauprogramm Aids“ vorgestelltes Modellprojekt „Wohnen in der Pflege“. Seit die Lokalpresse mit der zitierten Tendenz darüber berichtete, kommt der zuständige Senator Ortwin Runde (SPD) mit Richtigstellungen kaum noch nach.

Dabei hat sich ein Arbeitskreis, bestehend aus Vertretern der Gesundheitsbehörde, des Diakonischen Werkes, der Aidshilfe sowie Pflegekräften und Ärzten in jahrelangen Diskussionen um ein Konzept bemüht, das den Ansprüchen junger Patienten genügen könnte. Rund 20 schwerstpflegebedürftige junge Menschen sollen in einem im Bau befindlichen Haus untergebracht werden. Einzelzimmer, kleine Küchen, Gemeinschaftsräume und Gästezimmer für die Angehörigen sind geplant. Zwei Pfleger sollen jeweils drei Kranke betreuen. „Auf keinen Fall aber“, erklärt Heide Vogt von der Leitstelle Aids der Hamburger Gesundheitsbehörde, „wird es sich bei den Bewohnern ausschließlich um Aidspatienten handeln.“

Der Neubau soll auf einem Grundstück entstehen, auf dem sich eine Pflegeeinrichtung für 700 Behinderte und Alte befindet. Träger ist die dem Diakonischen Werk angeschlossene Stiftung Anscharhöhe und die Zinnendorf -Stiftung.

Bislang fanden die „schweren Fälle“ unter den an Aids Erkrankten Aufnahme in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen. Nun, da mit steigender Patientenzahl gerechnet wird, soll die teure Krankenhauspflege durch andere Wohn- und Pflegeformen ersetzt werden. Laut „Landesprogramm Aids“ ist „im Kostenvergleich auch bei intensiver Pflege die Versorgung in einer Pflegeeinrichtung nicht teurer als ambulante und sicher billiger als Krankenhauspflege“.

Doch gerade als „Kostenfaktoren“ und „Zahlen“ wollen Aidskranke nicht gelten. Deshalb kritisiert insbesondere ein seit zwei Jahren in Selbsthilfe arbeitendes Projekt mit dem Namen „Regenbogen“ die bevorstehende Modellpflege. Das Projekt besteht aus Freiwilligen und Betroffenen, unterhält enge Kontakte zu Projekten in den USA und praktiziert emotionale Unterstützung und Sterbebegleitung.

Die „Regenbogen„-Leute richten ihre Initiativen an dem in den Vereinigten Staaten weitverbreiteten Hospizgedanken aus. Helmut Zander, ein 35jähriger Aidskranker, Vorstandsmitglied beim Regenbogen und vor einem halben Jahr mit einer dreiwöchigen Lebensprognose aus dem Krankenhaus entlassen, erklärt die Kernideee eines Hospiz folgendermaßen: „Der Patient soll nicht vereinzeltes Objekt medizinischen Handelns sein.“

In drei Hamburger Privatwohnungen wird diese Idee derzeit umgesetzt. Sie haben die Funktion von Anlauf- und Kontaktstellen und sind entsprechend überlastet, da sich HIV -Infizierte eher dieser Selbsthilfe-Initiative als der staatlichen Fürsorge oder „barmherzigen Machtstrukturen“ (Zander) anvertrauen. Die dringende Haussuche des Regenogenprojekts, dem Senat wohlbekannt, ist bisher erfolglos verlaufen. Da nun ausgerechnet ein traditioneller Wohlfahrtsverband die Regie über den ersten Modellversuch führt, die Planung ein engagiertes Selbsthilfeprojekt unberücksichtigt läßt, stößt bei vielen auf Unverständnis. Wie letztlich der Modellversuch läuft, muß abgewartet werden. Der Neubau steht erst in einem Jahr.%%