Polarabenteurer, Geld und Umwelt

Die Nordpolexpedition des Briten Robert Swan wird als Umweltschutzabenteuer vermarktet  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Krachend türmten sich die Eisschollen vor dem Schiff auf. Eine Rettung schien nicht nur, nein, sie war aussichtslos. Die Männer an Bord - sie befanden sich gerade auf dem Rückweg von einer erfolgreichen Expedition zum Südpol - alarmierten die amerikanische McMurdo-Station in der Antarktis und ließen sich von einem Flugzeug retten. Zurück blieb das im Eis zerquetschte Versorgungsschiff.

Jede Menge Schulden bescherte diese Havarie im Januar 1986 dem britischen Expeditionsleiter Robert Swan (33). Doch die entstandenen Geldprobleme kühlten Swans Leidenschaft für das Abenteuer im Eis nicht ab. Im Gegenteil. An einem der nächsten Tage wird eine neue Expedition - diesmal zum Nordpol - ihr Ziel erreichen. Mit ihr wird sich der Exstudent Swan seinen wohl größten Traum erfüllen: als erster Mensch an beiden Polen gestanden zu haben.

Finanzieren konnte der Pfiffikus seinen Sechs-Millionen -Wunsch aufgrund einer extremen Sensibilität für den Zeitgeist: Unter dem Banner des Umweltschutzes sammelten sich Sponsoren unter anderem aus der Ozonkillerbranche und die Organisation Icewalk als Veranstalter der „Demonstration zum Schutz der Ozonschicht“.

Entstanden war die Idee einer Expedition zum Nordpol am Südpol. Es ist ein bekanntes Phänomen, daß man während körperlich anstrengender, aber stumpfsinniger Märsche durch das Eis bisweilen auf die skurrilsten Einfälle kommt. Stundenlang wälzt sich ein Gedanke durch den Kopf. „Mit dieser Aktion mache ich Geschichte“, so Swan auf die Frage des Zwecks der neuen Expedition. „Am Südpol haben wir uns nachweislich die Gesichter durch das Ozonloch verbrannt. Auf die Gefahr des Ozonloches wollen wir jetzt aufmerksam machen.“

Der Gedanke einer Umweltdemonstration erwies sich als finanzträchtig. Swan gründete noch 1986 die Organisation Icewalk und ging auf Sponsorensuche. Icewalk hat nach eigenen Angaben weltweit über 300.000 Mitglieder, eine stattliche Managementliste, Koordinatoren, Marketing -Spezialisten und mindestens zwei Firmen in Großbritannien und in Hamburg.

In der Elbmetropole arbeitet seit Oktober vergangenen Jahres ein Büro des gemeinnützigen Vereins, betreut 50 Mitglieder und bemüht sich um „Aufklärung aller Bürger hinsichtlich der Umweltprobleme“, wie es heißt. Realisiert wurden verschiedene Informationsstände bei Veranstaltungen. So zum Beispiel auf dem Hamburger Klimakongreß im November letzten Jahres. Dort fiel Icewalk mit einem Stand auf, mehr als doppelt so groß wie derjenige von Greenpeace. Gekostet haben soll die Aktion 30.000 Mark, bezahlt werden sollte sie von der „Icewalk-Expeditionsgesellschaft mbH“, über die der Verein Icewalk Verwaltungskosten abwickelt und Sponsorengelder verwaltet. Das Geld war nicht da. Wütend reisten die Manager von „Icewalk Limited“ aus London an, beglichen still die Schulden. Gegen den Hamburger Geschäftsführer wurden schwere Vorwürfe erhoben. Er soll nicht nur „schlecht gearbeitet“, sondern sich auch schon mal am Wochenende einen Audi 90 auf Kosten der dem Umweltschutz dienenden Firma gemietet haben.

Zu den Sponsoren der Expedition zählen neben dem US-Konzern Amway aus der Reinigungsmittelbranche auch deutsche Banken, Versicherungen und die Hans Schwarzkopf GmbH. Dieses Unternehmen, bundesweit bekannt wegen der intensiven Hilfe für Hausfreund Uwe Barschel bei dessen Schweinereien gegen politische Gegner, hat 100.000 Mark für die Expedition beigesteuert. „Damit wollen wir beweisen, daß wir ein umweltfreundliches Unternehmen sind“, säuselt die Dame aus der Pressestelle. Schwarzkopf behauptet von sich, die Kosmetikbranche zum Verzicht auf die Ozonkiller Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) veranlaßt zu haben. Demnach müßten die Prüfer von der Stiftung Warentest regelmäßig alte, verstaubte Haarspraydosen untersucht haben. Noch im November 1988 tauchten in der Liste FCKW-haltige Produkte von Schwarzkopf auf. Inzwischen sei die Produktion jedoch umgestellt, teilt die Firma mit.

Die Arktis wird's Herrn Schwarzkopf danken. Wie rasch dort der Ozonabbau voranschreitet, errechnen derzeit Wissenschaftler, die Anfang dieses Jahres von Stavanger aus mit Höhenballons und Raketensonden Meßdaten sammelten. Immerhin scheint das Ozonloch über dem Nordpol noch nicht so groß, daß Robert Swan sich erneut die Nase verbrennt. Nach Zwischenberichten haben sich einige der Männer auf dem 1.000 Kilometer langen Marsch Erfrierungen zugezogen. Wenn sie sich am Wochenende der Weltöffentlichkeit und später George Bush präsentieren, werden sie viel erzählen, auch über eine halbe Tonne Schneeproben, die in Kanada analysiert werden.

Die „Mission“, die die Abenteurer mitbringen, sollen 30 Jugendliche aus aller Welt - denen Icewalk einen Camp -Aufenthalt in Kanada bezahlte - weitertragen. Über ein Thema wird aber wohl auch der deutsche Teilnehmer wenig reden: über Geld. Statt der geplanten drei Versorgungsflüge brauchte die Expedition fünf - zu je 35.000 Dollar.