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Warnstreik: Alle Zäpfchen liegen still...

■ Das Pflegepersonal des Krankenhauses Moabit ließ gestern für drei Stunden Verbandszeug und Spritze fallen / Sie forderten eine tarifliche Zulage von 300 Mark im Monat / Heute Streiks im Klinikum Steglitz und im Krankenhaus Neukölln

Statt zur gewohnten Zeit zu frühstücken, mußten sich die PatientInnen gestern im Krankenhaus Moabit bis 9 Uhr mit Magenknurren abfinden. Das Pflegepersonal trat drei Stunden lang in einen Warnstreik, um der Forderung nach einer tariflichen Zulage von 300 Mark Nachdruck zu verleihen. Neben drei Kreuzberger Seniorenheimen, dem Bänkebach- und dem Humboldt-Krankenhaus leisteten damit auch die Schwestern und Pfleger Moabits ihren Beitrag zu den bundesweiten Warnstreiks, zu denen die ÖTV für gestern und heute aufgerufen hatte. Die Betten wurden nicht gemacht, unnötige Büroarbeit unterblieb, die Betreuung der Patienten wurde von einem Notdienst übernommen.

„Endlich mal ausschlafen“, die Patienten im Krankenhaus Moabit, bereits im Vorfeld informiert, fühlten sich gestern mit den Streikenden durchaus solidarisch. „Essen kann ich auch später, murmelte ein alter Mann und hob unwirsch das unrasierte Kinn. Sein Nachbar, in schlotterig-gestreiftem Bademantel stimmte ihm zu: „Die Schwestern haben schon recht. So wie die immer flitzen müssen.“

Warnstreiks im Krankenhaus - das hat es noch nie gegeben. Entsprechend vorsichtig agiert die ÖTV. „Die Versorgung der Patienten darf durch einen Streik auf keinen Fall gefährdet werden.“ Intensivstationen und Erste-Hilfe-Ambulanzen wurden erst gar nicht in die Warnstreiks mit einbezogen. Auf den restlichen Stationen schrumpfte der sonstige Hexenkessel zur Sparflamme. „Selbstverständlich erhalten Zucker-Patienten ihre lebensnotwendigen Spritzen“, betont Schwester Edith. Akut-Kranke werden weiterhin sofort und umfassend versorgt. Aber sonst - kein Telefon, keine ärztlichen Anweisungen, nur hin und wieder dringt das Schlurfen von Pantoffeln vom Flur herüber. Schwester Barbara allerdings, trotzdem sie den Warnstreik vehement unterstützt, erscheint die Stille trügerisch: „Was wir jetzt während des Warnstreiks nicht machen, müssen wir doch hinterher nachholen.“ Sie jedenfalls fühle sich dazu „moralisch verpflichtet“. Die Schwestern erhoffen sich noch mehr Unterstützung von der ÖTV, damit sie ihre Bedenken besprechen und derartige Warnstreiks besser organisieren können. „Zwischen Tür und Angel geht das im Krankenhaus nicht.“

Die ÖTV hat auf diesen Wunsch bereits reagiert. Sie erstellte ein Papier, aus dem hervorgeht, wie die Versorgung der Patienten während eines Warnstreiks sicherzustellen sei. „Wir hoffen aber, daß wir darauf nicht mehr zurückgreifen müssen, sondern daß die Arbeitgeber nun bundesweit von ihrer harten Linie abweichen“, so Bodo Fast, Gewerkschaftssekretär der ÖTV für den Krankenhausbereich.

Gespannt blickt die ÖTV jetzt auch auf den Senat. Der hatte nämlich in seinem Koalitionspapier beschlossen, zumindest in Berlin dem Pflegepersonal eine monatliche Zulage von 300 Mark zu gewähren. Wie es gestern im Gesundheitssenat jedoch hieß, befindet sich diese Zulage noch „in der Diskussion“.

Aber „Verständnis für die Sorgen der Kranken- und AltenpflegerInnen“ habe sie sehr wohl, betonte Gesundheitssenatorin Ingrid Stahmer. Die kurzzeitigen Warnstreiks des Pflegepersonals werden heute im Klinikum Steglitz und im Krankenhaus Neukölln fortgesetzt.

Martina Habersetzer

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