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HIV-positiv contra negativ

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(Doppelpunkt, Mittwoch, 19.30 Uhr, ZDF) Obwohl wir das heute abend eigentlich gar nicht fragen wollten,“ - fragt Moderator Michael Steinbrecher doch: „Wie habt ihr Euch an Aids angesteckt?“ Die Kamera zeigt den jungen Drogenabhängigen. Er habe sich im Knast mit einer gebrauchten Nadel infiziert. Als ihm der Knast-Arzt mitteilte, daß er positiv sei, habe er erst mal „ach nee“ gesagt. Er mimt die Situation mit dem Doktor. „Wissen Sie was die Krankheit für Sie bedeutet“? „Nee“ - „Für Sie heißt das, ab in den Sarg.“ - „Ach nee“.

Das Publikum lacht. Sie habe sich in Süd-Frankreich bei einem Ferien-Flirt angesteckt, erzählt die junge Studentin. Ein Jahr habe sie gebraucht, bis sie die Krankheit akzeptieren konnte. Lange Zeit habe sie das Gefühl verfolgt, ein „Todesengel“ zu sein. „Ich hatte immerzu Angst davor, daß ich meine Tochter anstecke.“ Als sähe sie, wie sämtliche Zuschauer tiefer in ihre Sessel rutschten, fügt sie hinzu: „Die Leute sind doch geil darauf, sowas zu sehen.“ Die Krankheit vereinige zwei Tabus unserer Gesellschaft: Sexualität und Tod. Kein verzweifelter Hilferuf an die Gesellschaft der Negativen, die Betroffenen bleiben unter sich, zeigen einander Stärke und Lebenswillen, sind trotig. Die Infizierten nutzten das Fernsehen - nicht umgekehrt.

Wilde Wut schäumt aus dem Schwulen, als er die Ignoranz der deutschen Behörden beschreibt. „Ich habe denen gesagt, ich bleibe solange auf diesem Schreibtisch sitzen, bis ich meine Papiere habe.“ Hin- und hergeschickt hätten sie ihn. Als er seinen Schwerbehinderten-Ausweis endlich bekommen habe, meinte die Leiterin des Frankfurter Versorgungsamtes: „Stellen Sie sich doch nicht so an - Karposi - das ist doch nur ein Schönheitsmakel.“ Bitterkeit mischt sich mit schwarzem Humor. „Wer mich als Streuselkuchen nicht mag, soll mich eben fallenlassen.“ Die privilegierte Gesellschaft der Negativen werde erst dann mit ihren Schuldzuweisungen aufhören, wenn die Krankheit aus den Randgruppen in die Gesellschaft breche, meint die Studentin. Besonders die Kirche und die konservativen Parteien sähen darin höhere Fügung.

„Hier brauchen Menschen ein Forum, um sich zu wehren, um aufzuklären, Mut zu machen“, meint die Studentin zum Abschluß. Warum schenkt man ihnen dann nur 45 Minuten?

Bettina Bausmann

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