Differenzen unter RAF-Gefangenen?

Nach Beendigung des Hungerstreiks zunächst Veröffentlichung von Einzel-Erklärungen vorgesehen  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Zu den Gründen für den Abbruch ihres 14wöchigen Hungerstreiks wird es keine gemeinsame Erklärung der inhaftierten RAF-Mitglieder geben. Wie Rechtsanwalt Johannes Pausch, Verteidiger der RAF-Gefangenen Helmut Pohl am Montag gegenüber der taz erklärte, werden eine Reihe inhaftierter RAF-Mitglieder erstmals am Mittwoch in persönlichen Erklärungen zu ihren Beweggründen und den Umständen für die Beendigung der Hungerstreikkette nach insgesamt 101 Tagen Stellung nehmen.

Diese Vorgehensweise hat nach den Worten von Pausch „alleine organisatorische Gründe, um möglichst schnell eine solche Erklärung machen zu können“. Die seperaten Stellungnahmen dürften nicht als Anzeichen für mögliche Differenzen unter den RAF-Gefangenen „mißverstanden“ werden. Er gehe davon aus, daß die einzelnen Erklärungen der RAF -Gefangenen „inhaltlich nicht differieren werden“, sagte Pausch.

Dagegen wird in Düsseldorfer SPD-Kreisen verbreitet, daß es in der letzten Phase des Hungerstreiks zu „scharfen Differenzen“ unter den inhaftierten RAF-Mitgliedern über den Abbruch des Hungerstreiks gekommen sei. Dieser Version zufolge sollen RAF-Gefangene nach Telefonaten untereienander „manchmal innerhalb weniger Stunden“ ihre Position zum Hungerstreik-Abbruch geändert haben und wiederholt „hin- und hergeschwankt“ sein.

Pausch wies diese aus Regierungskreisen stammenden Darstellungen als „Quatsch und Unsinn“ zurück. Auf die Frage, was denn letztlich der Auslöser für den überraschenden Abbruch des Hungerstreiks am vergangenen Freitag gewesen sei, erklärte der Pohl-Anwalt lapidar: „Dann spekuliert mal schön.“ Bei ihrem Entscheidungsprozeß habe den Gefangenen sicherlich „der wirklich schlechte Gesundheitszustand“ ihrer fünf GenossInnen Eva Haule, Brigitte Mohnhaupt, Adelheid Schulz, Gabriele Rollnik und Rolf Heißler „vor Augen gestanden“.

Pausch bestritt die Darstellung des nordrhein-westfälischen Justizministers Rolf Krumsiek (SPD), daß das zweieinhalbstündige Gespräch zwischen NRW-Staatssekretär Röwer und Adelheid Schulz am Freitag vormittag im Justizkrankenhaus Fröndenberg ursächlich für den Abbruch des Hungerstreiks gewesen sei. Pausch, der auch Anwalt von Adelheid Schulz ist, sagte, er sei selbst überrascht worden, als ihm seine Mandantin nach einem Telefongespräch mit Pohl erklärt habe, daß der Hungerstreik beendet sei. Dieses Telefonat habe eher zufällig während des Zusammentreffens mit dem Staatssekretär stattgefunden. Pausch: „Der Krumsiek hat sich das dann aufs Butterbrot geschmiert und damit Politik gemacht.“

Nach den Angaben des Pohl-Anwaltes halten die RAF -Gefangenen weiterhin an ihrer „Ausgangsforderung“ nach Zusammenlegung in zwei Großgruppen fest. Ihr Einlenken auf den schließlich am Widerstand der Unionsregierten Länder gescheiterten Kompromißvorschlag Kinkels, der eine Zusammenlegung in insgesamt vier Gruppen vorsah, sei „als Anfang vom Anfang“ verstanden worden. Aus Nordrhein -Westfalen soll Rolf Clemens Wagner in die niedersächische Haftanstalt Celle, wo bereits eine Dreiergruppe aus inhaftierten RAF-Mitgliedern besteht, zusammengelegt werden. In der Kölner Justizvollzugsanstalt sollen bereits in dieser Woche insgesamt sechs weibliche RAF-Gefangene in einem gemeinsamen Zellentrakt untergebracht und stundenweise „zusammengeführt“ werden, wie Ministerpräsident Rau es nannte.