Bewährung für Strommastsäger

Staatsschutzsenat in Frankfurt verurteilt Mike K. zu einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe / Geständnis und „Abkehr“ wurden als strafmildernd gewertet  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Kurz und knapp endete gestern vormittag der zweite „Startbahnprozeß“ in Frankfurt. Nicht einmal eine halbe Stunde brauchte der Vorsitzende des 5.Senats am Oberlandesgericht, Dr. Erich Schieferstein, um zu begründen, warum er den Angeklagten Mike K. zu einem Jahr und sechs Monaten Haft zur Bewährung und 2.000 Mark Geldstrafe verurteilte. Mike K. ist einziger Angeklagter in einem der beiden von dem Prozeß um die tödlichen Schüsse an der Startbahn West abgetrennten Verfahren, das am 23.Februar gegen neun Frauen und Männer eröffnet worden war. In einem ersten Urteil waren zwei weitere Angeklagte zu Bewährungsstrafen verurteilt, bei einer war ganz von der Bestrafung abgesehen worden. Vom ursprünglichen Mordvorwurf blieb nur die Beteiligung an Anschlägen auf Strommasten übrig.

Das Gericht verurteilte Mike K. wegen der „Störung öffentlicher Betriebe“. Außerdem habe er „verbotene Gegenstände eingeführt“ und gegen das Waffengesetz verstoßen. K. sei in der Nacht zum 9.Juni 1986 an einem Anschlag auf eines Strommast bei Hasselroth beteiligt gewesen. Er habe dort „gesägt und beobachtet“. Es sei ein Sachschaden von rund 50.000 Mark für die Preußen Elektra entstanden, der Strom sei sechs Minuten lang ausgefallen. Das sei „dank des Verbundsystems“ der Firma „ein verhältnismäßig geringer Schaden“, aber auch mehr als ein, wie die Verteidigung angeführt habe, „kurzzeitiger Spannungsabfall“ gewesen. Er habe sich auch an zwei Vorbereitungstreffen beteiligt.

Die Initiative zu diesem Anschlag der „Revolutionären Heimwerker“ sei allerdings nicht von K. ausgegangen, sondern von dem wegen der Startbahnschüsse angeklagten Andreas Eichler. Allerdings habe der sich nicht sehr anstrengen müssen, K. zu überreden. K. war seit Anfang der 80er Jahre in der „Anti-Atombewegung“ engagiert. „Er erkannte nach Tschernobyl“, so Schieferstein, „daß das, wovor die Bürgerinitiativen gewarnt hatten, schlimme Wirklichkeit geworden war.“ Nur deshalb habe er sich an dem Anschlag beteiligt.

Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz bezog sich auf eine Fahrt, die K. im Oktober 1986 zusammen mit Andreas Eichler nach Frankreich unternommen hatte. Bei der Rückkehr war ihr Auto am Grenzübergang Kehl durchsucht worden. Die Beamten fanden fünf Präzisionsarmschleudern, dazu Armstützen und Gummizüge, Leuchtmunition, einen Morgenstern und eine - inzwischen verschwundene - Haßkappe.

Das Gericht wertete das Geständnis des Angeklagten und seine Abkehr von dem Anschlag als strafmildernd. Daß er in der Hauptverhandlung nichts zur Sache gesagt habe, dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Es berücksichtigte außerdem die „schwierige Jugend“ von K., und daß er jetzt „in geordneten Verhältnissen“ lebe.

Der Startbahnprozeß gegen die restlichen fünf Angeklagten wird morgen und am kommenden Dienstag in Frankfurt fortgesetzt.