„Brüder, in eins nun die Hände...“

■ Gorbatschow und Deng besiegeln politische Normalisierung / Keine Einigung in der Kambodschafrage

Peking (afp/taz) - Mit einem langen Händedruck besiegelten Deng Xiaoping und Michail Gorbatschow am Dienstag in der Großen Halle des Volkes in Peking die Normalisierung der Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion. Während Gorbatschow laut 'Xinhua‘ „Irrtümer“ in der Vergangenheit eingestand, machte Deng klar, daß die Beziehungen künftig auf Gleichberechtigung aufbauen müßten. Die Proteste chinesischer Studenten gingen unterdessen weiter: Am Abend trafen wieder rund 400.000 Menschen auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein, um mehr Freiheit und Demokratie zu fordern. Den Studenten schlossen sich auch andere Bevölkerungsgruppen an.

Für die Wiederherstellung völlig normaler Beziehungen zur Sowjetunion hatte China bislang außer dem Abzug der vietnamesischen Truppen aus Kambodscha zwei weitere Voraussetzungen genannt: den (vollzogenen) Abzug der sowjetischen Armee aus Afghanistan sowie den Abbau der sowjetischen Truppenkonzentrierung an der Grenze zu China. Am Montag hat die UdSSR begonnen, zwei Drittel ihrer rund 50.000 Soldaten aus der Mongolei abzuziehen. Außerdem steht die Reduktion der im asiatischen Teil der UdSSR stationierten Truppen um 200.000 Mann an. Allein in der drängenden Kambodschafrage konnte keine Übereinstimmung erzielt werden. Strittig ist nach wie vor die Rolle der von China unterstützten Roten Khmer in einer zukünftigen kambodschanischen Koalitionsregierung. Die UdSSR und die USA sind sich einig, daß die Pol-Pot-Clique, deren vierjährige Schreckensherrschaft Hunderttausenden das Leben kostete, nicht wieder an die Macht gelangen darf. China setzt hingegen die Waffenlieferung an die größte Widerstandsfraktion fort, um die Absetzung der vom prosowjetischen Vietnam in Phnom Penh installierten Regierung zu erzwingen.

Der als orthodoxer Kommunist bekannte Ministerpräsident Li Fortsetzung auf Seite 2

Siehe auch Reportage Seite 7

suchte seinem sowjetischen Gast zu gefallen, indem er den demokratischen Charakter der Studentendemonstrationen unterstrich. „Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“ seien nicht den kapitalistischen Ländern vorbehalten. „China ist bereit, im Rahmen seiner politischen Reform diese Aspekte zu entwickeln“, kündigte Li an.

Bei Gorbatschows Treffen mit dem

chinesischen Parteichef Zhao, der als der zukünftiger „starker Mann“ Chinas gilt und für die chinesische Variante (Tumingdu) der sowjetischen Glasnost eintritt, trat Gorbatschow für die Normalisierung der Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien der beiden Staaten ein. Wegen der anhaltenden Proteste von weit mehr als 100.000 Studenten und Arbeitern mußte die Zusammenkunft von der Großen Halle des Volkes ins Staatsgästehaus verlegt werden.

Transparenz demonstrierten am Dienstag sogar die chinesischen Medien. Im Fernsehen tauchten Bilder von den Transparenten der 400.000 Demonstranten auf. Die Zeitungen maßen Protesten und Gipfeltreffen auf ihren Titelseiten gleichgroße Bedeutung bei.

sl