Poker um Sahnestück

■ In Walle wird ein riesiges Gewerbegebiet frei / Ortspolitiker wollen Struktur des Stadtteils verbessern, die Bundesbahn einen möglichst hohen Preis erzielen

Walle: Ein Stadtteil gelegen zwischen Hafenrand und Bundesbahnlinie. Ein Stadteil, in dem die Ortspolitiker gerne und oft darüber nachdenken, wie die dort gewachsenen Strukturen denn zu verbessern sind. Dafür bietet sich in den nächsten Jahren eine gute Gelegenheit. Die Speditionsfirma Kühne & Nagel hat die Absicht, ihre Lager- und Auslieferungshallen vom Waller Bahnhof weg in das Güterverkehrszentrum beim Neustädter Hafen zu verlegen. Dann wird direkt an der Waller Heerstraße ein 30.000 Quadratmeter großes Gelände frei.

„In dieser Größe ist es das letzte Grundstück hier“, weiß der Waller SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Andreas Weichelt. Die OrtspolitikerInnen haben deshalb frühzeitg ihre Wünsche über die künftige Nutzung des „Sahne

stücks“ vorgelegt: Wohnungen und Geschäfte für die „örtliche Versorgung“ sollen hier gebaut und auch für eine Bereicherung der kulturellen Landschaft soll gesorgt werden.

Wunschvorstellungen, die allerdings an den finanziellen Forderungen der Deutschen Bundesbahn scheitern könnten. Die ist Besitzerin des Geländes und hat, als die Umsiedlungswünsche Kühne § Nagels bekannt wurden, eine bundesweite Ausschreibung vorgenommen. Beworben haben sich auch zwei Bremer Anbietergemeinschaften, deren Vorstellungen den Wünschen der Waller PolitikerInnen nahe kommen. Seit der Ausschreibung ist nichts mehr passiert. „Die Bundesbahn will den Preis hochdrücken“, vermutet Weichelt. „In diesem Fall haben die wenig gemeinnütziges Interesse.“

Das sei lediglich eine „Testausschreibung“ gewesen, sagt der zuständige Abteilungsleiter Immobilien bei der DB, Joseph Lechtermann dazu. Bevor über eine langfristige Vermietung oder einen Verkauf entschieden werde, müßten zunächst Verhandlungen mit Kühne § Nagel beendet werden. Zwischen DB und der Speditionsfirma gibt es einen Erbbaurechts-Vertrag, der noch bis zum Ende des Jahrtausends gilt. Kühne und Nagel verlangt von der DB den Ankauf der auf dem Gelände stehenden Bauten. Lechtermann: „Falls die Ablöse Höhen erreicht, daß für den Boden nichts bleibt, dann verzichten wir auf die Auflösung des Erbbaurechtes.“ Und auch Kühne § Nagel spielt bei dem Verhandlungspoker auf Zeit: „Wir stehen nicht unter Druck“, so Jürgen Koop, Mitglied der Ge

schäftsleitung.

Erleichtert würden diese Verhandlungen, wenn die Bundesbahn für das Grundstück einen Interressenten fände, der einen entsprechend höheren Preis zahlt, zum Beispiel einen Großmarkt. Entsprechende Anfragen liegen vor. Die Baubehörde hat, um dies zu verhindern, einen Planfeststellungsbeschluß gefaßt, der „Einrichtungen für überörtliche Versorgung“ ausschließt. „Das ist erklärter Wille von Senator Kunick“, so dessen Sprecher Manfred Paape. Einen Verbündeten könnte die DB allerdings in der Wirtschaftsbehörde finden. Die hat ein besonderes Interesse, Kühne § Nagel bald im GVZ anzusiedeln und ist in einer Arbeitsgruppe federführend. Paape: „Daß es da Zielkonflikte und Diskussionen geben kann, schließe ich nicht aus.“

hbk