Gen-Experiment im Freiland gestoppt

■ Kölner Max-Planck-Institut verschiebt Experiment auf nächstes Jahr / Jawort vom Bundesgesundheitsamt

Berlin (taz) - Das Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung hat den in der Bundesrepublik ersten Freilandversuch mit genmanipulierten Organismen auf nächstes Jahr verschoben. Die spektakuläre Entscheidung kam nur wenige Stunden, nachdem das Bundesgesundheitsamt am Donnerstag morgen erstmals die Freigabe eines solchen Versuchs bekanntgegeben hatte. Von den Kölner Forschern wird der Verzicht damit begründet, daß eine optimale Ausführung des Experiments nicht mehr möglich sei, weil die Vegetationsperiode schon zu weit fortgeschritten ist. Diese Begründung läßt allerdings noch einige Fragen offen. Beobachter halten es für möglich, daß die Kölner Forscher kalte Füße bekommen haben. Bei dem Experiment wollten die Wissenschaftler 37.000 genetisch veränderte Petunien im Freiland erblühen lassen und dabei an Veränderungen der Blütenfarbe Mutationen durch „springende Gene“ untersuchen. Dazu werden in die Petunien Maisgene eingeschleust, die eine Veränderung der Blütenfarbe bewirken.

Das Bundesgesundheitsamt hatte am Morgen in einer Pressemitteilung sein Jawort für den ersten Freilandversuch bekanntgemacht. Von dem Experiment seien „keine Gefährdungen von Mensch oder Umwelt zu erwarten“, hieß es. Dennoch seien einige Auflagen gemacht worden. Die Kölner Pflanzenzüchter müßten dafür sorgen, daß die Petunien nach Abschluß des Experiments untergepflügt werden. Außerdem sei nach Beendigung des Versuchs ein „umfassender Bericht vorzulegen“. Von irgendwelchen Schwierigkeiten der Forscher stand in der BGA-Mitteilung kein Wort.

Das Kölner „Nein“ kam dann nur wenige Stunden nach dem Berliner „Ja“. Gegenüber der taz hatte der Biologe Peter Meyer, der das Petunien-Experiment betreut, schon am Dienstag bedauert, daß durch die zeitlichen Verzögerungen mit der Genehmigung des Experiments Schwierigkeiten aufträten. Um sehr buschige Pflanzen mit vielen Blüten zu erhalten, sei es Fortsetzung auf Seite 2

jetzt schon zu spät. Je mehr Triebe und Blüten sich entwickeln, desto größer ist aber die Chance, daß durch eine veränderte Blütenfarbe springende Gene identifiziert werden könnten. Gleichwohl hatte Meyer versichert, daß man das Experiment dennoch durchführen wolle.

Der Freisetzungsversuch war allerdings auch aus juristischen Gründen und wegen der Akzeptanzprobleme gefährdet. Weil sich das Gentechnik-Schutzgesetz, das künftig Grundlage für die Freigabe von Freisetzungen sein soll, erst im Stadium eines Referenten-Entwurfs befindet, wurde der Kölner Versuch ohne jede Rechtsgrundlage quasi „freihändig“ genehmigt. Das BGA

sprach denn gestern auch nur von einer „Zustimmung“ und vermied den Begriff „Genehmigung“. Wegen der fehlenden Rechtsgrundlage hatten die NRW-Grünen gestern eine Klage angekündigt, unmittelbar nachdem das BGA grünes Licht für die Petunien gegeben hatte. „Wir werden alle rechtlichen wie auch alle gewaltfreien Verhinderungswege für diesen Dammbruch in der Gentechnik beschreiten“.

Die Akzeptanz-Probleme waren, wie im BGA zu erfahren war, ein wichtiger Grund, weshalb die Genehmigung für das Experiment erst gestern erteilt wurde. Niemand könne ein Interesse daran haben, daß das Kölner Institut zum großen Feind werde, hieß es im BGA. Pflanzenzüchter Peter Meyer hatte der taz geklagt, daß sein Experiment bereits in einem Atemzug mit Wackersdorf genannt werde.

Manfred Kriener