Swinging Metropolis

■ 28. Fans

Jaja, die Jugend. Aufmupf & Frechnis zu frönen ist leicht hier & heute, aber schau mal heim ins Reich...

Nackenlanges Haar statt EinheitsPottschnitt, weites, langes Jackett, ShagPfeife & möglichst einen Regenschirm - bei jedem Wetter. Das ist nicht nur schick, sondern eindeutig nazifeindlicher, anti-zackiger Habitus. Besondere Bedeutung ist dem Paraplui beizumessen: „Hast du deinen Anthony dabei?“ bezieht sich auf Anthony Eden, den stets beschirmten englischen Außenminister. (Berichtet von Walter Jens in Swing Heil, Transit Verlag)

Auch die Dämchen geben sich ganz als solche. Gänzlich unbezopft richten sie die Kledasche nach den Idolen feindlicher Lichtspiele aus, mit ihren „SwingHeinis“ schwofen zu gehen. „Schlurfe“ nennt man in Wien jene bei der braunen Obrigkeit mißliebigen Tanzfreunde, und dies sind Begriffe, die, abwertend gemeint, von den Betroffenen sogleich übernommen werden. Wie's parallel in Frankreich läuft, berichtet der Posaunist & Jazzkolumnist Mike Zwerin in La Tristesse de Saint Louis, erschienen im Wiener Hannibal Verlag:

„Obwohl die Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs nicht gerade eine swingende Zeit genannt werden konnte, kam damals ein Aperitif namens Swing auf den Markt; Etes-vous Swing? und Mon Heure de Swing waren erfolgreiche Hitsongs. Der Hit in der Männermode, Cab Calloways zoot suits nachempfunden, hieß Swing, und die jungen Männer, die ihn trugen, Les Petites Swings, wurden Zazous genannt. Cab sang auf einer seiner Platten „Zazouzazouzazou-hey!“

Die Zazou-Knaben trugen Hosen mit ausgebeulten Knien, hohe englische Kragen, bedeckt von ihrem Haar, das sorgfältig zu zwei Wellen über der Stirn gekämmt war, lange, karierte, um mehrere Nummern zu große Jacken, herabhängende Schlüsselketten, Handschuhe und breite Krawatten mit kleinen Knoten und Anstecknadeln; dunkle Brillen und Schnurrbärte a la Django Reinhardt waren der letzte Schrei. Die Mädchen hatten kurze Röcke, weite Pullover, spitze lackierte Fingernägel, das Haar bis auf die Schultern, Halsketten um die Taille und grellrot bemalte Lippen. Beide Geschlechter rauchten Lucky Strike, frequentierten die Le New York Bar und begrüßten einander mit „ca Swing!“

Wie sich die Bilder gleichen; unsere lässig einherschlurfenden großdeutschen Fans entrichten dem Gleichgesinnten ein flottes „Swing Heil“ (aufatmend & legal wird so eine Musikveranstaltung im April 1946 im Friedrichstadtpalast heißen), wobei sie statt der flachen Hand den Zeigefinger lüpfen. Wer noch extremer drauf ist, streckt einen Zitterarm und grüßt mit debilem „Hallahallahalla“. Oder zeigt gleich das Victory-V. Als konspirative Kennmelodie pfeift man sich auf der Straße die Anfangstakte von „Harlem“ oder „Goody Goody“ zu.

Zitiert nach Swing Heil-Herausgeber Bernd Polster schreibt ein Kieler „Plutokrat“ (die gut sichtbare ausländische Zeitung in der Jackentasche gehört zum Image) an seinen verreisten Freund: „Daß du mir Kiel auch würdig vertrittst, also ganz lässig, ewig englische Schlager singend und pfeifend, total besoffen und immer umwiegt von den tollsten Frauen.“

Da mag uns freilich manches kindisch vorkommen, wie auch im Gebaren späterer Jugendbewegungen bis heute. Auch der seriöse Plattensammler & Jazzpurist distanziert sich vom Übermut der Swinger. „Die wußten doch nicht, ob das Bix Beiderbecke oder Red Nichaols war, den sie da hörten“, sagt Hans Blüthner vom Hot Club Berlin. „Die wollten nur ihren flotten Tanz.“ Horst H. Lange erinnert daran, daß gerad‘ deren auffälliges Gehabe die Nazis über Gebühr auf den Jazz aufmerksam machte. Und in Paris grenzt sich Charles Delauny, Begründer der Plattenfirma Vogue, total vom tanzbaren Mainstream ab, sei doch „ein schlechter Duke Ellington immer noch besser als ein guter Glenn Miller“.

Norbert Tefelski