Scheich Saeed und das Eisstadion

Ein bayerisch-orientalisches Märchen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten / Bayreuth gewann mitten in der Wüste einen Pokal im Eishockey / Clown-Nummer für die Ölbonzen  ■  Aus der Wüste Christian Bleher

Man kann es nicht anders sagen: Die Ölscheichs an der Piratenküste langweilen sich schrecklich. Jahrhunderte, ach, Jahrtausende haben sich ihre Vorfahren damit vergnügt, Kamele über sandige Rennbahnen zu treiben oder sündteure Falken in der Gluthitze auf wehrlose Wüstengeschöpfe anzusetzen. Doch seit in den vergangenen Jahrzehnten der überaus elitäre Sport der Familienclans, Petrodollars anzusammeln, sehr im Schwange ist (1986 verkauften die Emirate Öl für 12,5 Milliarden US-Dollar), sind die Feudalherrscher am persisch-arabischen Golf, die täglich um 2,5 Millionen Dollar reicher werden, keine Spur glücklicher geworden.

Da hatte einer die rettende Idee, wie dem ewigen luxuriösen Einerlei zu entrinnen sei. Nur noch an das eine dachte er, und dafür ist es selbst bei 50 Grad Celsius im Sommer nicht zu heiß: Eishockey. Eishockey in der Wüste. Scheich Saeed bin Tahnoon al Nahyan, 24jähriger Krösus aus Al Ain, einer kleinen Stadt im Süden der Emirate an der Grenze zum Oman, kam während eines lauen Winterabends in der BRD dieser geniale Einfall, der Thrill und neue Frische für sein staubiges Land bringen sollte.

Prächtige Eishalle

Hatte er nicht erst vor zwei Jahren für 32 Millionen Dirham (etwa 15 Millionen Mark) eine prächtige Eishalle in die schattenlose Umgebung Al Ains stellen lassen (natürlich nur, um mit den anderen Ultrareichen aus Dubai, wo es schon längst zwei Stadien gibt, mitzuhalten)? Da hatte der Jungherrscher freilich noch keinen Dunst, zu welch genialen Zwecken er die Halle dereinst benutzen würde. Immer nur rundherum wurde zunächst auf Schlittschuhen gelaufen, und ab und an gab es dilettantische Eisshows, die ihn selbst über dem starken Kaffee einnicken ließen, der ihm und seinen weißbekittelten Kompanions in den tiefen Sesseln auf der Ehrentribüne zusammen mit Feigen, Trauben und anderen Leckereien stets gereicht wird. Der einzige Haken an der Sache: Keiner, außer höchstens er selber, wußte, wie dieses im nordischen Winter erfundene Spiel funktioniert.

Wieder hatte der geniale Sportpionier eine phantastische Idee. Einer seiner eifrigen Manager aus der BRD, genauer aus München, vermittelte ihm den Kontakt zum EC Hedos München, dem gerade in die erste Eishockey-Bundesliga aufgestiegenen Verein. Dessen Mannschaft sollte im Mai zu ihm kommen und einen Gegner eigener Wahl gleich selber mitbringen. Die Wahl fiel, vielleicht verhängnisvollerweise, ausgerechnet auf den Aufstiegskonkurrenten aus dem leicht ins Kleinkarierte spielenden oberfränkischen Bayreuth, wo der oberbayerische Trainer Hans Zach durch die ausgefallensten Bestrafungsmethoden zur Motivation seiner Truppe von sich reden macht.

Um es vorwegzunehmen: Ordentliches Eishockey wurde tatsächlich nie demonstriert. Dafür entwickelte sich eine Posse um den schnöden Mammon, die Eingeladenen buhlten um die Wette um den Scheich, die Quelle möglicher reicher Unterstützung.

Zunächst lief alles glatt. Saeed lud die Teams in seinen Empfangspalast, palaverte ein wenig mit deren Präsidenten, verschenkte 70 Schweizer Quartz-Armbanduhren mit Scheichkopf -verzierten Zifferblättern, ließ etwas wohlriechendes indisches Sandelholz (von dem 100 Gramm 150 Mark kosten) abkokeln und überreichte einen edlen Krummdolch. Als er in holprigem Englisch erklärte, daß solche Geräte früher bei Familienfehden zur Verwendung kamen, hatten ihm längst alle verziehen, daß er die Gesellschaft eine geschlagene Stunde hatte warten lassen. Trotz seines gebrechlichen Habitus und seines beinahe debilen Gesichtsausdrucks hatten ihn alle ins Herz geschlossen.

„Al Ain Cup“

Drei Spiele, hatte sich Saeed überlegt, sollten die beiden Mannschaften austragen, der Sieger den „Al Ain Cup“ gewinnen. War der aus Gold? Mit Scheinen, Aktien, Ölquellen -Nutzungsrechten gefüllt? Jedenfalls stachelte Bayreuths Drillmeister Zach seine Leute wieder einmal zu Höchstleistungen an. Nachdem die das erste Spiel gewonnen hatten und einer der eigenen Spieler mit Knochenabsplitterung vom Eis ging, warf Bertold Jakob, der Hedos-Präsident, erst mal seinem jungdynamischen Bayreuther Kollegen Dieter Braun (35) vor, sich beim Scheich nur „Liebkind machen“ zu wollen.

Tatsächlich war Braun drei Tage vor Anreise der 71köpfigen Delegation auf eigene Faust nach Al Ain gejettet, um sich von Familienmitgliedern Saeeds alles ganz genau zeigen zu lassen. Dem Vorbild der Funktionäre des SC Riessersee folgend, die den Emiraten schon im Winter einen Besuch abstatteten, als davon die Rede war, daß sie von Hedos eingeladen würden.

Nach dem zweiten Spiel hatte je eine Mannschaft gewonnen, und um Ehrgeiz und Verletzungsgefahr zu reduzieren, beschloß man, die Teams zu mischen, das blau-weiße nicht „Hedos“, sondern „Al-Ain-Team“ zu nennen und gewinnen zu lassen. Der Scheich, das staatliche und das bayerische Fernsehen sowie 600 in die weißen Dish-dashas gekleidete Zuschauer verfolgten das ungewöhnlich brave Spiel in der merkwürdig stillen Halle.

Fanden Saeeds Leute keinen Spaß an der Veranstaltung? Zu keinem der drei Spiele war das Stadion, das 1.200 bequeme Sitzplätze bietet, zu mehr als der Hälfte gefüllt gewesen, und die wenigen frierenden Araber bekamen vor lauter Streit der Deutschen nicht erklärt, wie eine Eishockeypartie abläuft. So gingen viele, vielleicht nicht mal aus Langeweile, in der ersten oder zweiten Drittelpause wieder heim, komisch lächelnd.

Gewonnen hat dann übrigens doch Bayreuth, denn einer der Schwarzgelben erzielte zufällig vier Sekunden vor Schluß noch den entscheidenden Treffer.

Der Pokal war leer

Als sich dann aber, nach einer strapaziösen Woche, bei der Siegerehrung herausstellte, daß der Pokal leer und bestenfalls eine Messingimitation war, war auf einmal keinem mehr so außerordentlich wichtig, wer gewonnen hatte. Denn auch über Unterstützung finanzieller Art hatte Saeed vornehm geschwiegen. Und so setzte sich plötzlich allgemein die Einsicht durch, daß es ein ziemlicher Blödsinn sei, hier in der Wüste ein Eishockey-Trainingslager abhalten zu wollen, allein des mörderischen Klimas wegen.

Xaver Unsinn, der Bundestrainer, den die Scheichs sich allen Ernstes schon ausgeguckt haben, eine internationale Emiratsmannschaft zu trainieren, würde da auch bestimmt nur lachen.

Und es begann einigen zu schwanen, was einer der Spieler so formulierte: „Unser Auftritt in der Wüste war doch nicht viel mehr als eine billige Clown-Nummer für die Öl-Bonzen.“

Die in den Dish-Dashas werden jedenfalls auch in Zukunft nichts unversucht lassen, sich aus ihrer luxuriösen Langeweile zu retten. Aufgepaßt, Bobfahrer und Skispringer! Liverpool Cup-Sieger

Der FC Liverpool gewann im Londoner Wembley-Stadion gegen den Lokalrivalen Everton den englischen Fußballpokal. Erst in der Verlängerung entschied der Waliser Ian Rush mit zwei Toren in der 95. und 104. Minute das an Drama reiche Cup Final zugunsten seines Clubs.