Springer steigt beim 'Volksblatt‘ ein

■ Der Axel-Springer-Verlag will sich mit 24,9 Prozent am 'Volksblatt‘ beteiligen Über 80 Prozent des Berliner Zeitungsmarktes unter Einfluß des Tycoons

In einer Pressemitteilung gaben gestern die Gesellschafter des Volksblatt Berlin bekannt, daß sich der Axel-Springer -Verlag mit einem Anteil von 24,9 Prozent am 'Volksblatt‘ beteiligen wird. Ziel der „Partnerschaft“ sei eine deutliche Aufstockung der Eigenmittel sowie eine fruchtbare Kooperation im Verlagsbereich und in der Technik. Die redaktionelle Unabhängigkeit des 'Volksblatts‘ sei von dieser Beteiligung des Springer Verlages nicht berührt.

Die Verlagsgruppe Springer/Ullstein verfügt mit ihren Zeitungen Morgenpost, BZ, Bild und Welt in Berlin bereits jetzt über einen Marktanteil von knapp 80 Prozent. Nicht unter dem Einfluß dieses Zeitungskonzerns stehen damit nur noch der Tagesspiegel, die taz und die Parteizeitung Wahrheit.

'Volksblatt'-Chefredakteur Höppner sagte in einem Interview mit Rias-TV zum Eintritt des neuen Gesellschafters: „Es ist keine Sternstunde meines Lebens“. Der Betriebsratsvorsitzende Dieter Pienkny zeigte sich betroffen: Offensichtlich zwinge der immer schärfer werdende Konzentrationsprozeß auf dem Berliner Medienmarkt die Geschäftsleitung, „ein Stück verlegerischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit aufzugeben“.

Die IG Medien in Berlin meinte, daß der Springer-Verlag im Zuge „seiner Expansion auf dem Medienmarkt ein neues Opfer gefunden“ habe. Ein „weiteres Stück Pressefreiheit“ gehe verloren.

Die Beteiligung von Springer am 'Volksblatt‘ ist eine medienpolitische Überraschung, handelt es sich doch bei dieser Zeitung um ein traditionell sozialdemokratisches Blatt. Die Spekulationen darüber, wie lange das 'Volksblatt‘ seine Unabhängigkeit noch bewahren könne, haben seit Jahren angehalten. Als erster Aspirant für eine Übernahme galt immer der Hamburger Verlag Gruner und Jahr, der allerdings mit dem Kauf der 'Hamburger Morgenpost‘ vor Jahren keinen Erfolg verbuchen konnte.

Hintergrund der Beteiligung von Springer am 'Volksblatt‘ ist die Notwendigkeit von umfangreichen Investitionen in diese Zeitung.

Eine Neukonzeption des Blattes hatte vor Jahren keine Früchte getragen. Die Auflage ist selbst in dem ersten Quartal dieses Jahres, in dem mit dem Berliner Wahlspektakel für eine Zeitung wie dem 'Volksblatt‘ eigentlich gute Verkaufschancen bestanden, auf unter 28.000 Exemplare täglich gefallen.

Die Aufstockung des Kapitals dürfte zunächst zu umfangreichen Investitionen in die Druckerei des Blattes führen. Davon wäre dann auch die taz betroffen, die täglich in Spandau als Fremdauftrag gedruckt wird - taz-LeserInnen dürfen sich also auf eine bald bessere Qualität freuen. Bewegung herrscht damit auf dem Berliner Druckereimarkt, zumal bekannt ist, daß der Springer-Verlag dringend Kapazitäten für den Druck Berliner Anzeigenblätter sucht, die bislang in Westdeutschland gedruckt werden. Spekulationen über weitere Kooperationen auf diesem Markt sind durchaus nicht ohne Grundlage. Die „technischen“ Hintergründe der Springer-Beteiligung machen die Beteuerung, daß das 'Volksblatt‘ redaktionell unabhängig bleibt, durchaus glaubwürdig. Ob das die LeserInnen dieses Blattes auch so sehen, ist allerdings eine andere Frage.

Karl-Heinz Ruch