Oberflächliche Nacherzählung-betr.: "Sadismus in der Szene", taz vom 19.5.89

betr.: „Sadismus in der Szene“, taz vom 19.5.89

(...) Warum werden solche Artikel nicht von Frauen geschrieben - oder zumindest kommentiert -, die sich schon länger mit der Thematik beschäftigen, als es die beiden Frauen zu tun scheinen? (...)

Vor allem der Artikel von Ute Scheub ist einfach nur zum Kotzen. Schon der erste Abschnitt in dem das Aussehen der Täters geschildert wird, könnte aus der 'Bild'-Zeitung stammen. Wozu das? Dann schreibt sie, sie wolle den LeserInnen die grauenhaften Einzelheiten der Tat ersparen. Warum werden sie dann doch geschildert? Ein rhetorischer Trick? Wozu soll das dienen, wenn nicht einer Sensationsgier, von der ja auch die „Szene“ nicht ausgeschlossen ist?

Und was soll die Charakterisierung der besetzten Hafenstraßenhäuser als Ort „wo kaputte, gescheiterte Existenzen aufeinandertreffen“? Und dann die übliche Story über die Herkunft und Lebensgeschichte des Täters. Das kennen wir ja zur Genüge. Wenn der Zweck nicht - wie so oft

-ein indirekter Rechtfertigungsversuch sein soll, was dann?

Am schlimmsten finde ich die platte Schilderung der Tat und des Prozesses, die nichts anderes als oberflächliche Nacherzählung ist. Dabei gäbe es viele Momente, wo genauer und tiefer nachgehakt werden müßte, zum Beispiel über die Rolle von Frauen bei solch grausamen Gewalttaten und die (fehlende?) Auseinandersetzung der „Frauenszene“ damit; über die Frage der Selbstjustiz (in der „Szene“); über die Frage, die sogar dem Richter in den Kopf kam, nämlich, welche Rolle die Sexualität bei der Tat gespielt hatte. Genauso, wie Ute Scheub sich damit begnügt, die Mittäterin Birgit P. zu referieren („Ich kann das nicht erklären“), genauso bleiben die strafmildernden Umstände (Tabletten, Alkohol und das „neue Leben“ des Täters) ohne jeden Kommentar.

Auch in Ute Jurkovies Beitrag setzt sich deutlich fort, was Ute Scheub den Staatsorganen - mit Recht - zum Vorwurf macht: daß die Ver- und Aufarbeitung allein dem Opfer überlassen wird. Denn auf der ganzen Seite geht es fast ausschließlich um die TäterInnen - ihre Tat, ihre Gefühlslage, ihre Perspektiven.

Die Perspektiven des Opfers, der Opfer sexueller Gewalt überhaupt, sind den Autorinnen kaum eine Zeile wert; genauso wenig das Verhalten der „Szene“ dem Opfer gegenüber und ihr Umgang mit dieser Art von Gewalt.

Ute Jurkovies Schlußsatz (des Täters Aussage zur Perspektive im Knast: „Das ist doch kein Leben, das ist Beerdigung.“) macht die Frage nach der Parteilichkeit der AutorInnen vollends überflüssig.

Gesine Meerwein