Togal-Werke wollen Redaktionsstuben kontrollieren

Wie die Pharma-Industrie versucht, in der Presse eine ihr genehme Berichterstattung durchzusetzen / Mit Negativliste wird Streichung von Anzeigen angedroht  ■  Von Elke Brüser

Wen kümmert es denn heutzutage noch, daß - mit wenigen rühmlichen Ausnahmen - Zeitungen, Fachzeitschriften und Journale auf die Werbung finanzstarker Inserenten angewiesen sind. Doch was sich die Münchner Togal-Werk AG vor einiger Zeit leistete und nur auf Umwegen an die Öffentlichkeit gelangte, ist dazu geeignet, schlafende Hund zu wecken. An die Anzeigenleitung zahlreicher Verlagsgesellschaften richtete der Vorstand des Arzneimittelherstellers ein Schreiben mit dem Titel Sechs Forderungen an die Laien -Presse zur Berichterstattung über Arzneimittel.

Noch bevor man zu den Forderungen kommt - wohl um ihnen den rechten Druck zu verleihen - wird ohne viel Federlesens angekündigt, Inserate von uneinsichtigen Presseorganen abzuziehen: „Wir - als einer Ihrer Inserenten - ...werden bei unserer künftigen Medien-Auswahl ... speziell ihre redaktionelle Berichterstattung über Gesundheitsthemen unter die Lupe nehmen. Stimmt in dieser Beziehung das Umfeld für unsere Anzeige nicht mehr, werden wir von einer Insertion in Ihren Verlagsobjekten Abstand nehmen.“

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger hat dies quasi erpresserische Vorgehen nicht widerspruchslos hingenommen: Zwar könne eine Firma entscheiden, ob sie einer Zeitschrift Werbeaufträge erteilt oder nicht, sie könne auch Kritik an der Präsentation ihres Inserates üben, „Einfluß auf die freie Berichterstattung und die Inhalte von Presseerzeugnissen nehmen zu wollen“ aber sei „der Versuch, eines der elementarsten Rechte unseres Grundgesetzes, die freie Meinungsäußerung, durch Ausübung wirtschaftlichen Drucks einschränken zu wollen“.

Das Togal-Werk geht sogar noch einen Schritt weiter und erwartet von den angeschriebenen Anzeigenleitungen, daß sie eine unterzeichnete Kopie des Schreibens an den Firmenvorstand zurückschicken. Die Zeitschriftenverleger nennen dies denn auch „Forderung nach redaktionellem Wohlverhalten, verbunden mit einer Unterwerfungserklärung...“

Fachpresse unter Druck

Ein solcher Druck, wie ihn der Pharmahersteller Togal auf die Laienpresse ausüben möchte, trifft Fachzeitschriften im allgemeinen noch viel stärker. Sie können oft nur mit Produkten aus einer Branche werben und riskieren dadurch eine größere wirtschaftliche Abhängigkeit. Bei Zeitschriften, die sich ausschließlich an Mediziner richten, kommt ein weiterer Faktor hinzu: Bei der Mehrzahl der sogenannten Ärzteblätter - 400 bis 500 kursieren in der Bundesrepublik - werden die meisten Exemplare nicht verkauft, sondern an Ärzte verschenkt.

Ein paar Zahlen: Die von Anzeigen unabhängige 'Internistische Praxis‘ bezifferte die Höhe der Auflage medizinischer Blätter mit mehr als 3,6 Millionen. Nur 600.000 Exemplare davon sollen an Abonnenten verkauft werden. Ein besonders krasses Mißverhältnis fanden die Autoren bei der Zeitschrift 'diagnostik‘: Den 1.490 Abonnenten standen mehr als 50.000 gedruckte und vertriebene Exemplare gegenüber. Das ergibt ein „Verkauft-verschenkt -Verhältnis“ von drei zu 97 Prozent.

Keine Frage aber, daß Zeitschriften, die nicht verkauft werden, sich anders finanzieren müssen. Einseitige, meist farbige Inserate sind besonders lukrativ. Mindestens fünfzehn Ärzteblätter auf dem deutschen Markt fordern für eine solche Seite zwischen 5.000 und 10.000 DM. Die Konsequenzen charakterisierte das Presse-Standesblatt 'journalist‘ bereits 1985: “...was da hochtrabend als Fachzeitschrift ins Haus kommt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Anzeigenblatt erster Güte, in dem Redaktion und Werbung munter und ungeniert durcheinander geworfen werden.“

Der Freiburger Professor F.H. Franken beklagte in der 'Deutschen Medizinischen Wochenschrift‘ in diesem Zusammenhang, daß der Arzt beim Gros der Ärztezeitungen „nicht mit solider ärztlicher Fortbildung, mit einer Auffrischung oder gar Erweiterung seines Wissens“ rechnen kann. Zu den Gründen zählte der Mediziner, daß Anzeigen und redaktionelle Texte nicht immer sauber voneinander getrennt sind. Folgerichtig erklärt der pharmakritische 'Arzneimittelbrief‘ im Mai letzten Jahres die Menge medizinischer Zeitschriften nicht mit der Fülle an sachkundiger Information, sondern von der Seite des Profits aus: „Dahinter steht der Bedarf der Arzneimittelindustrie an Werbeträgern und der Wunsch der Zeitschriftengründer, an diesem Milliardenetat teilzuhaben.“

Nach Angaben des AOK-Bundesverbandes der Ortskrankenkassen bezahlt die Pharmaindustrie für Anzeigenwerbung jährlich rund eine Milliarde Mark: Mit der einen Hälfte bewirbt sie in der Laienpresse verordnungsfreie Medikamente, mit der anderen in Mediziner-Zeitschriften meist verschreibungspflichtige Arzneien.

Günstiges „Umfeld“

Das Werbegebaren der Pharmaindustrie verärgert nicht nur Mediziner, die - oft vergeblich - in der Papierflut nach den wichtigen Informationen fischen, sondern auch so manchen widersprüchlichen Interessen ausgesetzten - Redakteur. „Da in den Firmen und Werbeagenturen die Abhängigkeit 'ihrer‘ Medien bewußt sei, formulierten sie ihre Forderungen häufig nicht mehr als Bitten, sondern eher als 'Dienstanweisung‘. Sie betreffen die Abfassung des redaktionellen Textes, der ein günstiges 'Umfeld‘ für die Anzeigen schaffen soll“, zitiert der 'Arzneimittelbrief‘ den Redakteur eines Ärzteblattes, der allerdings anonym bleiben wollte.

So kann es dann zu einem günstigen Umfeld kommen: Der positiv ausfallende - ärztliche Erfahrungsbericht über eine Arzneimitteltherapie wird neben der Werbung für eben dieses Medikament abgedruckt. Unrealistisch für Firmeninserate in der Laienpresse, dachte womöglich der Vorstand des Togal -Werks und fordert “...die Plazierung außerhalb des Gesundheitsteils Ihrer Publikationsorgane!“ Im selben Abschnitt des Schreibens heißt es: „Wenn schon kritische Berichterstattung über die Pharmaindustrie, über Unternehmen und Arzneimittel, dann Anzeigen der Betroffenen nicht gleich gegenüber plazieren.“

Das 'Deutsche Ärzteblatt‘, das mit 170.000 Exemplaren dem Arzt via Verbandszugehörigkeit unaufgefordert ins Haus flattert, scheint mit dem Geld aus Werbeeinnahmen keine Probleme zu haben. Die von ihm selbst gestellte Frage, ob denn Mediziner, die eine Zeitschrift abonnieren (und bezahlen), tatsächlich dumm seien, beantwortet es so: Ärzte „sind die Hauptverordner von Arzneimitteln, und für die Pharma-Industrie ist es deshalb sinnvoll, diese Ärzte bevorzugt über Arzneimittel zu informieren. Dazu inseriert sie, und so ermöglicht sie den Verlagen, die Zeitschriften und Zeitungen kostenlos zu versenden.“ - die 'Internistische Praxis‘, die diese Einäugigkeit aufgriff, überließ dem Leser das Nachdenken selbst - sie finanziert sich über ihre Abonnenten.

Fazit: Wieder wenig Positives in Sachen Pharmaindustrie, obwohl eine der Togal-Forderungen lautet: „Berichten Sie mehr 'Positives‘, um das Image ... der Pharma-Industrie wieder auf den Stand zu bringen, wo es hingehört.“ - Ja, wohin denn?