„Kein Einfluß auf CDU gehabt, das ist der Punkt“

■ Aus der 'Welt‘ von gestern: „Auszüge aus Protokollen von Telefongesprächen des inhaftierten RAF-Terroristen Helmut Pohl“

IM

Berlin (taz) - Die Texte seien „schwer verständlich“, entschuldigt sich die 'Welt'-Redaktion einleitend, bevor sie in ihrer gestrigen Ausgabe „Aufzeichnungen in Auszügen“ von Telefongesprächen dokumentiert, die der RAF-Gefangene Helmut Pohl am 10. Mai, zwei Tage vor Abbruch des Hungerstreiks, mit Brigitte Mohnhaupt, Adelheid Schulz und Karl-Heinz Dellwo geführt haben soll. Das hindert die „Rechts-Kollegen“ des Springerblatts allerdings nicht, auf der Titelseite eindeutige Schlußfolgerungen zu ziehen: Das Ende des Hungerstreiks sei „in erster Linie auf die harte Haltung der unionsregierten Länder zurückzuführen“, die „angeschlagene Gesundheit einiger Hungerstreikender“ habe „mehr Einfluß auf die Entwicklung“ gehabt als bisher angenommen. Last but not least: Die Kampagne wird gegen die AnwältInnen der Gefangenen fortgesetzt. Die „abgehörten Telefonate“ belegen „die tiefe Verstrickung einiger Verteidiger in den Hungerstreik der Terroristen“, zitiert die 'Welt‘ die Auffassung von „Sicherheitsexperten“. Da kann man spekulieren, wo die Dokumentenquelle für die 'Welt‘ sprudelt und warum. Alle „Aufzeichnungen“ - es handelt sich ersichtlich um spärliche und sicher nicht zufällig ausgewählte Fragmente - betreffen Gespräche, die Pohl aus dem Knast von Schwalmstadt führte. Politisch verantwortlich für die Weiterleitung an die 'Welt‘ sind demnach die Dienstherren der Staatsschützer in der Wiesbadener CDU -Landesregierung. Herbert Landau, Sprecher des hessischen Justizministers Karl-Heinz Koch, bestätigte gegenüber der taz die Authentizität eines Teils der Protokolle. Diese seien „deckungsgleich mit dem Vermerk eines Beamten“, der bei den Telefonaten dabeigewesen war. Andere Passagen jedoch könnten auch vom anderen Ende der Leitung stammen, meinte Landau. Wie die Dokumente in die 'Welt'-Redaktion gelangt seien, könne er nicht sagen. Ob „disziplinarrechtliche Maßnahmen“ gegen den Beamten oder sonst jemanden ergriffen werden müßten, sei ebenfalls noch nicht geklärt. Die Protokolle seien auch an andere Justizbehörden und einen nicht näher bezeichneten Verteiler gegangen.

Originaltext 'Welt‘: (...) Wenn von „Klinkel“ gesprochen wird, dann ist der Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Klaus Kinkel, gemeint. Er hat in dieser Angelegenheit Sondierungsgespräche auch mit Terroristen geführt. (...)

Telefonat des Pohl mit Brigitte Mohnhaupt (15.46 Uhr bis 16.39 Uhr)

Es hat hauptsächlich der Pohl gesprochen. Es wurde nur stichpunktmäßig alles angesprochen. Klinkel war da, nichts geht mehr, er hat alles versucht, es geht gar nichts mehr. Bayern und Württemberg scheitert. Kirche Kruse reingekommen

-macht besonders gegenüber dem Staat Zeichen setzen Signal machen - verdeutlichen - Streik beenden, sagt Klinkel. NRW wackelt, vielleicht bei anderen Ländern bewegen - Staat nicht erpreßbar.

Hungerstreik aufgeben, Klinkel hat Angst davor, was passiert. RA Pausch hätte großen Einfluß. Pausch ist da, alle Häftlinge müssen informiert sein. Mohnhaupt soll Anke und andere informieren. Es muß gehen. Klinkel hat drei (Telefongespräche) zugesagt. Bin reichlich erschöpft. Alles ausgereizt. Große Rechtsoffensive wäre noch gelassen. Klinkel sagte, RA überlegen gegenüber der Öffentlichkeit dummes Zeug. Johannes ist am Überlegen, eine Möglichkeit heute gesehen, was tun, klare Lage.

Man muß was tun. Gedanken noch nicht fertig. Große Pressekonferenz in Bonn. Alle Gespräche Klinkel-Kruse, VUs sind noch am informieren. Wollen die Presse. Da steht der Staat. Inhalte besser bringen. Evas Brief total klar. Text dieser Text.

Mohnhaupt sagt: Hänge ganz schön am Schlauch. Pohl: Ich rede mit beiden (Schulz, Dellwo), eingeladen wurden Verwandte. Schubert soll kommen, kommt Ströbele zu dir? Ja, kannst ihn besser einschätzen. Grüner Anlauf (Fräse phon.) Bundesvorstand - bei Johannes angerufen.

Evas Brief - Inhalte eingehen, ging in Hose. Sind unfähig (Vollmer), totaler Sumpf, Idioten. Linke sind wichtiger. Ströbele unter die Lupe nehmen. Er will nicht linken. Kein eigener Standpunkt. Viel gelernt bei Streik. Alle Gedanken festhalten. Sinn soll sein. Situation für alle in der BRD, linksreale Ausgangslage für alle. Gedanken dabei aufschreiben. Neue Lage, neue Gedanken.

Adele herholen Freitag. Johannes sprechen Freitag. Anwälte tätig werden. Auf Länderebene weitermachen. Läuft Berlin, Lübeck auch nicht viel. Du mußt das machen. Lübeck, Stammheim, Straubing mache ich - nicht mit der CSU. Wir lassen von den Inhalten nicht los. Darüber sollen sie sich klar werden...

Telefonat des Pohl mit Adelheid Schulz (17.28 Uhr bis 18.03 Uhr)

Pohl berichtet, daß die Sache entschieden ist und eine Zusammenlegung nicht stattfindet. Sts Klinkel hat dies heute mitgeteilt. Die Forderungen sind gegen die CDU-Länder nicht durchzusetzen. Schulz sagt darauf: „Dann wissen wir, wo wir dran sind.“ Gesundheitlich fühlt sie sich immer schwächer. Sie bekommt von Pohl den Auftrag, ihre Sache in NRW in die Hand zu nehmen oder alles auf Christa zu delegieren. Schulz erwidert, daß Sts Röber gesprächsbereit ist. Heute allerdings wegen den Anschlägen keine Zeit hätte...

Pohl berichtet, daß er mit Brigitte (Mohnhaupt) geredet hat und es ihr nicht gut geht. Weiterhin sagt er, daß morgen oder übermorgen die nächste Gesprächsrunde telefonisch stattfindet. Sts Klinkel habe im Gespräch betont, daß er nur der Vermittler ist und nichts entscheiden kann. Sie sollen den Hungerstreik beenden, dann wird sich eher etwas bewegen. Dies wird von Pohl und Schulz abgelehnt...

Inhaltlich wird die Auseinandersetzung weitergeführt. Hierbei soll der Brief von Eva (Haule) rumgehen und als Orientierung dienen. Pohl hat ein Gespräch mit Kruse geführt und angeregt, daß dieser mit MP Rau sprechen soll. In Berlin stellt Pohl fest, daß Ströbele (AL) ein Hornochse sei und nur noch Showbusineß treiben würde. Wenn Zusammenlegung in Berlin, dann nur eine Gruppe von acht bis neun Mann...

Telefonat des Pohl mit Dellwo (18.27 Uhr bis 19.14 Uhr)

...Klinkel war da, wollte persönlich Bescheid sagen. Es läuft nichts, sie machen nichts, alles ausgereizt. Kruse gesprochen - Kirche keine Macht gegen Staat. Zwei Stunden geredet (mit Kruse) politisch inhaltlich, gutes Gespräch. Verlagerungsprozeß zum Politischen, viel geredet mit ihm... Stimmt mir zu (Kruse), er nennt es aufarbeiten - Dialog haben eine Richtung. Fast wäre die Republik gekippt. Stimmt überein - politisch - gutes Gespräch. Kein Einfluß auf CDU gehabt, das ist der Punkt. Zweiter Punkt will vermeiden mit Schmude - erst Zusage und so - nach Streikabbruch würde sich etwas bewegen - nur dadurch. Reine Erpressung. Ich soll mich einsetzen für Aufgabe. Gespräch abgebrochen. Es gibt nichts anderes (Zusammenlegung), der Kampf geht weiter. Wir geben nicht auf... Morgen Ströbele zu Brigitte, nicht loslassen. Kann nicht viel machen (Ströbele) - ist aber AL Berlin. Nach Brief machst du weiter mit Ströbele. Jeder, der sich für links hält, muß sich bekennen, alles anschauen - BRD Situation - gesamtpolitisch sehen... Müssen viel mehr sprechen, gespenstische Situation, bevorstehende politische Konsequenz überdenken...

Wesentlich NRW, Ella und Angelika sollen nicht alleine machen. Erst sollen wir sprechen, danach AL Ella. Ströbele ist nichts wert, habe es rausgekriegt (Bestätigung durch Dellwo), hat falsche Einschätzung der Politik. Bundespartei Grüne sind zu dumm - sind politisch unfähig - kaputter Haufen. Aufbruch anderer Linker beobachten - wichtig schreibe uns darüber, Kruse soll kommen. Kirche hat angeboten, welche Rolle sie spielen will. BRD Situation großes Interesse...