108 Minuten lauter Glück

■ „Milch und Schololade“ oder: dem sympathischen Paar sei alles verziehen

Kinofilme sind in letzter Zeit immer so lang. Unter zwei Stunden macht es kaum noch eine RegisseurIn. Das altbewährte Neunzig-Minuten-Schema hat anscheinend ausgedient, Ausnahmen bestätigen eher die neue Regel. Romuald et Juliette liegt in dieser Hinsicht voll im Trend. Schon der dümmlich -deutsche Verleihtitel Milch und Schokolade ist zum Fürchten und doch ist dem französischen Kinowerk von Coline Serrau eines ganz und gar nicht abzusprechen: Er ist einfach liebenswert.

Da macht es auch nichts, daß zwischendurch der Eindruck entstehen kann, wir wären im falschen Film. Mit impertinenter Penetranz lehnt sich die turbulente Crime-und Lovestory an Das Leben ist ein langer ruhiger Fluß an. Doch was soll's. Ein Generaldirektor, der sich in die pralle Putzfrau von den Antillen verliebt, das hat etwas. Nicht gerade besonders originell, aber dafür für's Herz.

Juliette (Firmine Richard) und Romuald (Daniel Auteuil) arbeiten im gleichen Joghurtbetrieb und doch begegnen sie sich nie. Sie wischt und schrubbt nur nachts, während er am Tage den Chef spielt. Diese Ausgangslage führt Coline Serreau mit einem

fetzigen Boogie vor Augen und Ohren und danach ist zumindest eines klar: Langeweile wird nicht aufkommen.

Die Mutter von fünf Kindern von fünf verschiedenen Vätern hat es wahrlich nicht leicht. Sie malocht, bis ihr die Augen zufallen, und muß, zu Hause angekommen, auch noch die niedlichen Kleinen von einem Bett in das andere wuchten ohne ihre mächtige Statur gar nicht vorstellbar. Was also muß passieren, daß eine muskelbepackte Vorortbewohnerin und ein stoffeliger Unternehmer mit dem Wesen eines Stockfisches zusammenfinden?

Intrigen, Verschwörungen, Aktiendeals und Börsenspekulationen durchwehen das Joghurtimperium. Romuald merkt von alledem natürlich nichts, er läßt in seiner Naivität nicht einmal erkennen, wie er es überhaupt so weit gebracht hat. Eine treffliche Situation also, um einem rauschenden Happy End entgegenzusteuern. Und noch viel mehr.

Juliette denkt auch beim nächtlichen Bohnern immer mit, und so kann sie ihrem Chef von allerlei miesen Machenschaften in seinem Betrieb berichten, der hört gar nicht zu. Doch als urplötzlich die Polizei hinter ihm her ist, flüchtet er mehr unbeholfen als

geplant zu Juliette und ihren Schokoladenpüppchen. Jetzt geht der Tanz erst richtig los. Gemeinsame Recherchen und hinterhältige Vergeltungsmaßnahmen bringen zunächst die Bösewichter hinter Gitter und das ungleiche Paar näher zusammen. „Ich habe gerade eine Augenkrankheit hinter mir. Ich habe nichts gesehen“, gibt der geläuterte Fabrikant dann auch zu und schreibt der neuerdings Angebeteten sogar ein „Je me meurs sans vous“ ins Blumenmeer am Arbeitsplatz.

Es ist beinahe nicht mehr auszuhalten. Die Augenränder befeuchten sich merklich und der Kinosessel ächzt unter den unruhigen Bewegungen der ZuschauerInnen. Die stattliche Juliette widersetzt sich dem krähengesichtigen Romuald so gut sie kann, doch es bleibt rührig bis zum Erguß. So viele Happy Ends gibt's doch gar nicht, wie Coline Serreau uns da auftischt, und doch ist kein Ende in Sicht.

Alle Annehmlichkeiten, die Geld kaufen kann, läßt die Regisseurin auffahren und noch viel mehr. Zum Schluß war der Film vor lauter Glück etwas zu lang, doch dem sympathischen Paar sei alles verziehen. So ist das halt in Märchen. J.F.Sebastia

Schauburg, 19 und 21 Uhr