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Beweismittel verschlampt

■ Wichtige Bodenproben in Gutachterbüro vernichtet / Bodenverunreinigungen der Tanklagerfirma Schüttler auf Südhafengelände jetzt nicht mehr nachweisbar

Auf Grund einer Panne ist es der Staatsanwaltschaft jetzt nicht mehr möglich, ihren gegen die Sonderabfallbeseitigungs - und Ölerfassungsgesellschaft Schüttler (SAG) gerichteten Verdacht der umweltgefährdenden großflächigen Bodenverunreinigung des Spandauer Südhafengeländes durch weitere Ermittlungen zu erhärten. Justizsprecher Achhammer bestätigte auf taz-Anfrage, daß im Juli 1987 unter den lecken Tanks der Firma Schüttler im Auftrag der Staatanwaltschaft von der Umweltkripo gezogene Bodenproben in einem privaten Gutachterbüro versehentlich vernichtet wurden. Nun läßt sich laut Justizsprecher Achhammer die „Beweiskette“ nicht mehr schließen, daß die zum Zeitpunkt der Untersuchungen gelagerten Tankinhalte auch das umliegende Erdreich verunreinigten.

Wie berichtet, muß der Boden zu mutmaßlichen Kosten von fünfzehn bis zwanzig Millionen Mark bis in vier Meter Tiefe ausgetauscht werden, da sich in den oberen Schichten erhebliche Konzentrationen von Mineralölen, Phenolen und chlorierten Kohlenwasserstoffen finden. Nach Angaben des Justizsprechers hat ein Angestellter des „sonst als absolut zuverlässig und seriös bekannten“ Sachverständigenbüros die Proben noch vor der Auswertung weggeworfen, weil er gemeint habe, sie hätten keine Bedeutung. Geschehen sei dies bereits zum Jahreswechsel, als der Angestellte offenbar im Zusammenhang mit einem betriebsinternen Umzug Aufräumungsarbeiten erledigte. Einen strafrechtlich relevanten Vorsatz könne man nach der glaubhaften Schilderung des Gutachters ausschließen.

Achhammer verglich den „äußerst bedauerlichen Vorgang“ mit der aufsehenerregenden Tilgung der „Fettecke“ des inzwischen verstorbenen Aktionskünstlers Beuys durch eine übereifrige Museumsputzfrau. Dem Gutachter ebenfalls übergebene Proben der in den Schüttlertanks im Juni 1987 gelagerten hochgiftigen Chemikalien seien hingegen erhalten geblieben und inzwischen analysiert. Diese Proben allein taugten jedoch nicht zum Nachweis der Bodenverunreinigungen, da angesichts der ab 1920 andauernden Nutzung des Geländes als Mineralöllager auch andere Verursacherfirmen in Frage kämen.

Ähnliche Beweisnöte vorhersehend, hatte die Alternative Liste im Zusammenhang mit dem Umweltskandal schon vor zwei Jahren eine Umkehr der Beweislast bei Bodenverunreinigungen gefordert. Danach müßte ein Betrieb nachweisen, daß er die Verschmutzung nicht verursacht hat.

Indes sind dem Justizsprecher zufolge die gegen die Tanklagerfirma Schüttler parallel laufenden Ermittlungen wegen des Verdachts umweltgefährdender Abfallbeseitigung sowie des unerlaubten Betriebs von Abfallbeseitigung von der Panne nicht tangiert. Zu der strittigen Frage, ob die einwandigen Tankanlagen ohne Auffangwanne zur Lagerung von stark verseuchten Sonderabfällen überhaupt geeignet sind, warten die Staatsanwälte noch auf ein ausstehendes Gutachten der Umweltverwaltung.

Obschon es für die Anlagen keine Genehmigung gibt und seit 1987 der Verdacht besteht, daß Altöle oder Lösungsmittel fälschlich als „Wirtschaftsgüter“ deklariert wurden, hatte die Verwaltung der Firma etwa Mitte 1988 das Vermischen von PCB-haltigen Altölen gestattet.

Ob die ursprünglich schon für das Frühjahr 1988 angekündigte Sanierungsanordnung wie vor ein paar Tagen verheißen, endlich „in Kürze“ erlassen werden könne, sei noch gänzlich unklar, hieß es gestern aus der Behörde von Frau Schreyer. Derzeit prüfe man aber ernsthaft die rechtlichen Voraussetzungen für eine schnellstmögliche Stillegung der Großtanks. Es werde überlegt, die Firma Schüttler oder ein anderes, ebenfalls auf dem Gelände am Südhafen ansässiges Unternehmen zu beauftragen, die gelagerten Altöle per LKW zur Weiterverarbeitung ins Bundesgebiet zu transportieren. Die Verwaltung versucht per Computer zu ermitteln, welche Firmen am Südhafen in den vergangenen Jahren die jeweiligen Geländeteile verseucht haben könnte.

thok

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