Bednarz offenbar kein guter Genosse

■ NRWs „Zwei Säulen-Modell“ ein Rohrkrepierer / Tod des Lokalfunks in Sicht?

Die Medienpolitik der Sozialdemokraten, lästerte Monitor -Chef Klaus Bednarz Ende vergangener Woche auf einer Medientagung des SPD-Bezirks Niederrhein, werde derzeit vor allem für die eigene Parteiklientel gemacht. Personalentscheidungen in den Funkhäusern liefen vielfach nach dem Motto: „Wir müssen was für Heinrich tun“ und „Er ist doch ein guter Genosse“. Nun heißt Bednarz weder Heinrich noch ist er offenbar ein guter Genosse, denn als er kürzlich Interesse an der Stelle des stellvertretenden WDR -Studioleiters in der Bundeshauptstadt zeigte, blitzte der couragierte Kommentator und unerschrockene Rechercheur ab. Statt dessen entschied sich die Intendanz überraschend für den Deutschlandfunk-Redakteur Heribert Schwan, einen Nobody im TV-Geschäft, der Medienkritikern bislang vor allem durch ein ausgesprochen gefälliges Fernseh-Porträt über den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) - pünktlich zu dessen Kanzlerkandidatur - aufgefallen war.

Aber nicht nur im Westdeutschen Rundfunk ziehen Rau (der sich soeben im SPD-Landesvorstand (!) für die Wiederwahl von WDR-Intendant Friedrich Nowottny ausgesprochen hat) und seine Sozialdemokraten an den entscheidenden Strippen. An die Spitze der nordrhein-westfälischen Landesrundfunkanstalt (LfR), die für die Lizensierung und Überwachung des Privatfunks zuständig ist, bugsierte der Düsseldorfer Regierungschef mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) einen alten Genossen.

Noch ehe der erste lokale Hörfunksender an Rhein und Ruhr überhaupt auf Sendung gehen konnte, ist LfR-Direktor Schütz mit seiner Anstalt als „offensichtlichem Selbstbedienungsladen“ ins Gerede geraten. Immerhin der Landesrechnungshof (LRH) hat der LfR ein skandalöses Finanzgebaren mit gravierenden Verstößen „gegen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ attestiert sowie die Zahlung deutlich überhöhter Gehälter und die Verquickung von Privat- und Dienstgeschäften vorgeworfen. Das ZDF berichtete jüngst zu den Klängen des Tango Korrupti über die offenkundige Filz- und Vetternwirtschaft bei der LfR. Selbst innerhalb der nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsfraktion spotten die Genossen, Schütz habe „den Filz mit dem Möbelwagen von Berlin nach Düsseldorf mitgebracht“.

Unterdessen verbreitet Schütz in Genossenkreisen weiter Optimismus: Noch im Herbst dieses Jahres werde die LfR die ersten Lizenzen für private Rundfunksender an Rhein und Ruhr vergeben; vermutlich könnten die ersten der insgesamt 45 geplanten Lokalstationen in NRW Anfang kommenden Jahres auf Sendung gehen, prognostizierte der LfR-Direktor Ende Mai auf einer Medientagung der SPD-Mittelrhein in Köln. In der Vergangenheit hat Schütz, der die Inbetriebnahme des ersten privaten Hörfunksenders in Nordrhein-Westfalen bereits einmal für Ende 1987 in Aussicht gestellt hatte, mit seinen Prognosen indes immer gründlich daneben gelegen. Das von der Rau-SPD vollmundig als „medienpolitische Errungenschaft“ gefeierte Landesrundfunkgesetz mit dem sogenannten „Zwei Säulen-Modell“ der Veranstalter- und Betriebsgesellschaften für den Privatfunk erweist sich immer mehr als Rohrkrepierer; selbst Sozialdemokraten sinnen bereits ernsthaft über eine Reform nach, weil sich dieses Gesetz als „nicht praktikabel“ und nicht handhabbar erwiesen habe.

In den einzelnen Verbreitungsgebieten, klagt Frank Böhnke vom „Verband Lokaler Rundfunk“, ständen die Veranstaltergemeinschaften (VGs) „einem Partner gegenüber, der nicht mit uns spricht“. Bei diesem Partner handelt es sich um die Betriebsgesellschaften (BGs), einem Zusammenschluß aus Zeitungsverlegern und Kommunen, die nach dem Gesetz für die wirtschaftliche Grundlage der lokalen Hörfunkstationen zu sorgen haben. Zahlreiche Vertreter von Veranstaltergemeinschaften äußerten auf der Kölner SPD -Medientagung die Befürchtung, daß „die Verleger derzeit auf Zeit spielen, um uns dann später bei den Vertragsverhandlungen unter Zeitdruck zu setzen und austricksen zu können“.

Zwar liegt die Programmverantwortung für den Lokalfunk alleine bei den VGs, doch viele fürchten, daß dies „ein frommer Wunsch“ des Gesetzgebers bleiben werde. Mißtrauisch wird von Veranstalterseite vor allem die Radio NRW GmbH beäugt, in der sich der WDR, die Zeitungsverleger und Bertelsmanns Ufa zusammengeschlossen haben, um den Lokalsendern das sogenannte Mantelprogramm zu liefern, ohne das die Radiomacher vor Ort kaum auskommen werden: Einerseits haben sie weder die personellen noch finanziellen Ressourcen, um rund um die Uhr ein 24-Stunden-Programm zu produzieren. Andererseits sind sie dringend auf die Werbegelder angewiesen, die durch das Mantelprogramm von Radio NRW eingespielt werden sollen.

Inzwischen hat das Berliner Bundeskartellamt der Radio NRW GmbH eine Untersagungsverfügung angedroht, weil es in der Beteiligung des WDR „eine Verstärkung der schon bestehenden marktbeherrschenden Stellung“ des Senders auf dem Werbemarkt sieht. Eine Abmahnung mit zweiwöchiger Äußerungsfrist wurde bereits verschickt. Auch die meisten der über 40 Betriebsgesellschaften für den lokalen Rundfunk halten die Kartellwächter wegen der bis zu 75prozentigen Beteiligung schon marktbeherrschender Zeitungsverlage für nicht genehmigungsfähig. Die Verleger zeigen sich von den Drohungen der Kartellbehörde jedoch unbeeindruckt und wollen zunächst einmal „Fakten schaffen“. Wenn dann irgendwann im Jahre 2000 tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit höchstrichterlich festgestellt werden sollte, müsse sich die Kartellbehörde eben um die Entflechtung kümmern, meinte ein führender Mitarbeiter des Ruhrgebiets-Monopolisten 'WAZ‘, den sehr freundschaftliche Bande mit der Düsseldorfer Regierungszentrale verbinden - wie dessen Zeitungsprodukte tagtäglich ausweisen. Kritiker des Landesrundfunkgesetzes in NRW sprechen inzwischen von einem „WAZ-Gesetz“. Zwar hat Radio NRW jüngst Konkurrenz bekommen - nordrhein -westfälische Videogruppen, Filmemacher und Kulturschaffende um Kanal 4 wollen ebenfalls eine Lizenz für das Rahmenprogramm erwerben (siehe taz vom 19.5.) -, ob aber ein kleiner Sender wie Kanal 4 gegen die geballte Medienmacht der Verleger ankommen kann, ist mehr als fraglich.

Der Dortmunder Medienprofessor Ulrich Pätzold hat bereits „den schnellen Tod des Lokalfunks“ vorausgesagt, wenn das umstrittene Mantelprogramm „nicht eindeutig dienende Funktion“ habe, sich also dem lokalen Programm-Profil eindeutig unterordne. Doch daran bestehen erhebliche Zweifel. Schon wurden Pläne von Radio NRW bekannt, den Lokalstationen nur feste Programmpakete anzubieten, die ihnen für lokale Themen noch gerade einen Sendeplatz von zehn Minuten pro Stunde lassen. Unter solchen Umständen würden die Lokalsender kaum professionelle Journalisten finden, prophezeite Pätzold, weil sie hier zu „Programmkästenverwaltern“ und „Informationsdesignern“ verkämen.

Diesen Trend sieht Monitor-Chef Bednarz indes auch immer mehr bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, „die die Privaten mit immer mehr Sport und immer mehr Unterhaltung gleichsam rechts überholen“. Der aufmüpfige WDR -Mann kritisiert „eine schleichende Endpolitisierung“ und „Luxemburgisierung“ des Fernsehprogramms. Neuestes Indiz ist für ihn der „klammheimliche Beschluß“ der ARD -Programmkonferenz, nach der kommenden Berliner Funkausstellung die Wiederholung der politischen Magazine im Vormittagsprogramm einzustellen: „Ein Affront gegen alle Schichtarbeiter und politisch interessierten Frauen.“ Innerhalb der ARD wird über solche Vorgänge niemand berichten. Bednarz hält es für „einen unhaltbaren Zustand“, daß es nach der Absetzung des Medienmagazins Glashaus „heute nicht eine ARD-Sendung gibt, die sich selbstkritisch mit uns befaßt“.

Johannes Nitschmann