Flüchtlingskonferenz ohne Betroffene

Erste zentralamerikanische Konferenz zum Flüchtlingsproblem / UNO sponsert das Treffen in Guatemala / Perez de Cuellar kritisiert die Contra-Hilfe der USA / Die mittelamerikanischen Regierungen setzen auf Repatriierung / Flüchtlinge fordern Entscheidungsfreiheit  ■  Aus Guatemala-Stadt R. Leonhard

San Salvadors rechtsextremer Bürgermeister Armando Calderon Sol und Alejandro Bendana, rechte Hand von Nicaraguas Außenminister Miguel d'Escoto, plauschen angeregt miteinander und lassen sich auch bereitwillig gemeinsam für die lokale Presse ablichten. So gesehen beim Empfang, den der guatemaltekische Präsident Cerezo am Montag abend im Nationalpalast gab. Derartige Harmonie zwischen den verfeindeten zentralamerikanischen Nachbarn gibt es meist nur dann, wenn es um gemeinsame Interessen geht - und um Geld. In Guatemala-Stadt tagte von Montag bis Mittwoch die erste Internationale Konferenz über zentralamerikanische Flüchtlinge. Dabei galt es, den potentiellen Geberländern, allen voran die EG-Staaten und Japan, mit gemeinsamen Forderungen gegenüberzutreten.

40.000 Flüchtlinge aus Nicaragua, El Salvador und Guatemala sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt, seit die fünf Präsidenten Zentralamerikas im August 1987 den Friedensplan unterzeichneten, der als Esquipulas II bekannt ist. Aber fast zwei Millionen, also fünfzigmal mehr, ZentralamerikanerInnen leben noch immer in Flüchtlingslagern oder unter teilweise menschenunwürdigen Umständen als Vertriebene im eigenen Land. Opfer der Gewalt, der Kriege und Bürgerkriege, die die Region in den letzten zehn Jahren zu einem der herausragenden Krisengebiete der Erde gemacht haben.

Auf dem Programm stand die Anbahnung der Finanzierung von Projekten, die in den nächsten drei Jahren insgesamt 380 Millionen Dollar kosten sollen. Gesponsert hatten die Veranstaltung die Vereinten Nationen, das UNO -Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und das UNO -Entwicklungsprogramm (UNDP). Die Konferenz basiert auf dem Abkommen Esquipulas II, in dem Flüchtlingsfragen und Repatriierungsprobleme eine wichtige Rolle spielen. Auch Mexiko und Belize, die vor allem guatemaltekische Flüchtlinge beherbergen, haben sich angeschlossen.

Hier in Guatemala treffen sich die Gebernationen mit den Empfängerländern, um über die einzelnen Projekte zu diskutieren. Wunschziel der meisten Regierungen ist die Repatriierung, also die Heimkehr der Flüchtlinge. Diese ist aber eng mit dem Fortschritt des Friedensprozesses verknüpft. UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar ging bei seiner Eröffnungsansprache über die bei derartigen Anlässen üblichen inhaltsleeren Floskeln hinaus und äußerte seine Enttäuschung über den Fortschritt des Friedensplanes. In deutlicher Anspielung auf die USA klagte er darüber, daß die Erfüllung von Esquipulas II daran scheitere, daß „nicht alle am Konflikt Beteiligten auch Mitunterzeichner des Friedensplanes“ seien. Und in einer anschließenden Pressekonferenz wurde er noch deutlicher: Die „humanitäre“ Hilfe, die Washington an die nicaraguanische Contra leistet, dürfe den Plan der fünf Präsidenten nicht vereiteln. Die Kritik an jenen, die den Fortschritt verzögern, ging eindeutig an die Adresse von Honduras und El Salvador, die der Umsetzung der Beschlüsse, namentlich der Auflösung der nicaraguanischen Contra auf honduranischem Territorium, immer wieder neue Hindernisse in den Weg legen.

Perez de Cuellar sparte aber auch nicht mit Kritik an den Geberländern, die ihre Unterstützung von der Erfüllung des Friedensplanes abhängig machten, obwohl die Länder dringend jede Hilfe benötigen, um ihren Verpflichtungen im Rahmen des Planes nachkommen zu können. Über konkrete Zusagen soll voraussichtlich auf einer Nachfolgetagung im September in New York gesprochen werden. Allein Nicaragua unterbreitet Projekte für rund 150 Millionen Dollar. Ein Teil davon ist für die etwa 7.000 salvadorianischen Flüchtlinge vorgesehen, die in Nicaragua registriert sind, ein weiterer Anteil für die Wiederansiedlung der RückkehrerInnen und der Großteil für die intern Umgesiedelten aus den Kriegsgebieten. Costa Rica will vor allem die 200.000 nicht offiziell als Flüchtlinge registrierten NicaraguanerInnen loswerden. Honduras möchte in erster Linie die rund 60.000 SalvadorianerInnen von der Westgrenze ins Landesinnere verlegen und für die nicaraguanischen Flüchtlinge, großteils Contras und deren Familien, Arbeitsbeschaffungsprogramme finanziert haben. Mexiko unterbeitete Vorschläge für die Integration von mehreren zehntausend guatemaltekischen Kleinbauern, wenn diese nicht in ihre Heimat zurück wollen.

Die freiwillige Repatriierung ist das Wunschziel der Vereinten Nationen, aber auch der einzelnen zentralamerikanischen Länder. Die Betroffenen selbst haben aber auf der Konferenz keinerlei Vertretung. Und die Regierungen, die hier die Finanzierung von Projekten anbahnen, sind teilweise noch dieselben, die seinerzeit zum Massenexodus Anlaß gegeben haben. Salvadorianische Flüchtlinge aus dem Lager Colomoncagua in Honduras ließen ein Statement zirkulieren, in dem sie ihre Rückkehr an die Einstellung der Bombardements durch die Luftwaffe, das Ende der Militarisierung ihrer Siedlungsgebiete und die Abschaffung der paramilitärischen Zivilverteidigung knüpfen.

Die guatemaltekischen Flüchtlinge in Mexiko, die Anfang der achtziger Jahre vor der Ausrottungspolitik der Streitkräfte geflohen sind, verlangen, „daß jeder das Recht haben muß, zu entscheiden, wie, wann und wohin er zurückkehrt“.