RAF nicht mehr in der „Motor„-Rolle

Karl-Heinz Dellwo: Der Kampf um die Zusammenlegung war festgefressen / Remmers will Dellwo, Taufer und Folkerts zwangsweise in den Normalvollzug verlegen / Strafanzeige wegen 'Welt'-Veröffentlichung  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Eine Zusammenlegung der Gefangenen der RAF und anderer militanter Gruppen in ein bis zwei große Gruppen wäre auch dann gescheitert, wenn während des Hungerstreiks einzelne Gefangene gestorben wären. Diese Einschätzung vertritt der zu lebenslanger Haft verurteilte RAF-Gefangene Karl-Heinz Dellwo, der seinen Hungerstreik Mitte April gemeinsam mit Christa Eckes nach 74 Tagen abgebrochen hatte. Der Kampf um Zusammenlegung könne und werde nun weitergehen, nachdem er in der konkreten Konfrontation der vergangenen Wochen „politisch und auch materiell festgefressen“ gewesen sei, schreibt Dellwo in einer am Dienstag von seinen Anwälten veröffentlichten Erklärung.

Dellwo, der weiter auf eine „revolutionäre Entwicklung“ außerhalb der Knäste setzt, betont jedoch, die Gefangenen seien als „Motor für unsere Genossen draußen“ nicht mehr notwendig. In Zukunft gehe es um einen „grundsätzlichen Aufbruch auf breiter Basis von unten - gegen die Normalität des Systems, nicht mehr nur gegen den scheinbaren Ausnahmezustand“. Die Gefangenen hätten mit dem Hungerstreik „keine Eskalation durchkämpfen“ wollen, schreibt Dellwo. Sie hätten sich aber als „zu diesem System antagonistisches politisches Kollektiv“ stabilisiert. Aus dieser Position heraus sei es nun möglich, „weit darüber hinauszudenken“.

Der niedersächsische Justizminister Walter Remmers hat unterdessen angekündigt, Karl-Heinz Dellwo und seine ebenfalls in Celle inhaftierten Mitgefangenen Knut Folkerts und Lutz Taufer notfalls auch gegen ihren Willen in den Normalvollzug verlegen zu wollen. Ein Anwalt der Gefangenen erklärte daraufhin, die Absicht des Ministers widerspreche diametral den Zielen des abgebrochenen Hungerstreiks. Die drei Gefangenen könnten dann weniger zusammensein als bisher. Der Abgeordnete der Grünen im Landtag von Hannover, Jürgen Trittin, nannte Remmers Absicht eine „grobe Mißachtung des Parlaments“. Ohne Unterrichtung des Rechtsausschußes versuche der Minister, seine knallharte Linie gegen die RAF-Gefangenen fortzusetzen.

Die Veröffentlichung von Mitschriften von Telefongesprächen des Gefangenen Helmut Pohl mit Brigitte Mohnhaupt, Adelheid Schulz und Karl-Heinz Dellwo in der Springer-Zeitung 'Die Welt‘ wird die Bonner Staatsanwaltschaft beschäftigen. Wegen Verletzung des Fernmelde- und des Amtsgeheimnisses erstattete der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhard Hirsch gestern in dieser Sache „Strafanzeige gegen Unbekannt“. Auch Gefangene seien „rechtlich nicht vogelfrei“, erklärte Hirsch zur Begründung.

Die 'Welt‘ veröffentlichte unterdessen in ihrer gestrigen Ausgabe, zwei Tage nach den Telefonmitschnitten aus der hessischen JVA Schwalmstadt, ein Gespräch mit dem Chef des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Günter Scheicher. Der hessische Verfassungsschutz hatte auch Zugang zu den in dem Springer-Blatt abgedruckten Protokollen. Die RAF ist nach Scheichers Auffassung „in einem ausgesprochen desolaten Zustand, wie er in dieser Form noch nie zu verzeichnen gewesen sei“.