Verteidigung der Hurenrechte

■ Noch immer werden Huren schikaniert und gefährdet

GASTKOMMENTAR

Sie war die vielleicht zukunftsweisendste Frucht jener französischen Ereignisse, die derzeit überall gefeiert werden: Mary Wollstonecrafts Vindication of the Rights of Women von 1792. Ein Klassiker bis heute, basierend auf der ebenso banalen wie brutalen Erkenntnis, daß, wo „Mensch“ gedacht, gesagt und geschrieben wird, „die Frau“ keineswegs gemeint ist.

Heute, am 2.Juni 1989, wird in West-Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Münster und Nürnberg ein anderes Ereignis öffentlich mit Aktionen gefeiert - eins, das aller Welt klargemacht hat, daß, wo von „Frauenrechten“ die Rede ist, Huren keineswegs mit gemeint sind. Es ist der 14.Jahrestag des Generalstreiks der Prostituierten in Frankreich, der, von einer besetzten Kirche in Lyon ausgehend, das ganze Land zehn Tage aufgewühlt hat. 1975 - im „Jahr der Frau“.

In den USA wird in diesen Wochen, ebenfalls mit viel Publicity, eine weitere zukunftsweisende Frucht gefeiert: das Erscheinen von The Vindication of the Rights of Whores auf dem Buchmarkt. Diese „Verteidigung“ ist die Dokumentation all der Power und all der Misere, die fast 200 KollegInnen aus der weltweiten Sexindustrie im Oktober 1986 als „Zweiten Welt-Hurenkongreß“ ins Europaparlament von Brüssel getragen haben. Die Huren aller Länder treiben ihre Vereinigung voran. Grund zu Stolz und Freude.

Die Kehrseite, noch immer, allein in diesem Land: Nicht nur im schwarzen Bayern werden die Huren unter dem Vorwand „Aids -Bekämpfung“ schikaniert und gefährdet; im rot verwalteten Dortmund soll die Linienstraße, die 200 Frauen ernährt, „ersatzlos gestrichen“ werden; die ersten, die vom nagelneuen rot-grünen und unbeschreiblich-weiblichen Berliner Senat abgeschoben wurden, waren thailändische Prostituierte; und auch der rot-grüne Römer sieht keine Veranlassung, endlich die Sperrgebietsverordnung, jene klassische ABM-Einrichtung für Zuhälterei jeder Art, ersatzlos zu streichen.

Es ist noch ein langer Weg, bis die Welt-Charta verwirklicht sein wird. Behalten wir 1992 im Auge - dann wird die erste Verteidigung der Frauenrechte 200 Jahre alt, und bis dahin sollte nicht nur die Frauenbewegung gelernt haben, ihre Huren mit zu meinen, deren Rechte mit zu verteidigen und deren Interessen mit zu vertreten selbstverständlich und machtvoll. Auf dem europäischen „Binnenmarkt“ und anderswo. In aller Huren Länder.

Pieke Biermann Autorin und Übersetzerin in Berli