Harte Bandagen gegen DDR-Demonstranten

Ostberliner Protestzug gegen Wahlfälschung aufgelöst / 120 Festgenommene wurden inzwischen wieder freigelassen  ■  Aus Berlin Birgit Meding

Mit ungewöhnlich großem Polizei- und Sicherheitsaufwand wurde am Mittwoch abend in Ost-Berlin eine kirchliche Protestdemonstration aufgelöst, die sich gegen die Wahlfälschungen bei der umstrittenen Kommunalwahl vor genau vier Wochen richtete. Rund 120 Menschen wurden dabei festgenommen und in bereitgestellten Einsatzlastwagen abtransportiert. Mit Transparenten und Slogans wie „Wir haben genug vom Wahlbetrug“ wollten sie zum Staatsrat der DDR ziehen und dort eine Eingabe gegen die Wahlfälschungen abgeben. Auf einer Wahlurne, die ebenfalls zum Protestgepäck gehörte, hieß es: „Hier ruht die Demokratie“.

Wie Ostberliner Kirchenkreise berichteten, hatten sich mehr als 300 Leute in der Sophienkirche versammelt, um gegen die bereits am Nachmittag von der Polizei verhinderte Wahldemonstration zu protestieren. Dabei waren bereits mehr als 40 Leute festgenommen worden. Als der spontane Protestzug das Kirchengelände am Mittwoch abend verließ, griffen Polizei und zahlreiche zivile Sicherheitskräfte sofort ein. Die Demonstranten ließen sich daraufhin zu einer Sitzblockade nieder, wurden aber, wie Augenzeugen berichteten, kurze Zeit später „brutal abgeräumt“. Kirchenvertreter hatten unterdessen vergeblich zu vermitteln versucht und bei der Einsatzleitung erreichen wollen, daß wenigstens eine dreiköpfige Delegation zum Staatsrat ziehen und dort die Eingabe gegen die Wahlfälschungen abgeben könnte. In der Eingabe wird unter anderem beklagt, daß auf Beschwerden, Eingaben und Strafanzeigen bislang „seitens des Staates nicht konstruktiv reagiert“ wurde. „Wir wollen als Bürger dieses Landes ernst genommen werden und fordern deshalb die Bestrafung der (für die Wahlfälschung, d. Red.) Verantwortlichen“, heißt es weiter.

Das Außenministerium hatte kürzlich erklärt, die Kommunalwahlen seien „ordnungsgemäß abgeschlossen“ worden. Die für die Strafanzeigen zuständige Staatsanwaltschaft konnte darüber hinaus „keine Anhaltspunkte“ für einen Verdacht auf Wahlbetrug finden. Unabhängige und kirchliche Gruppen hatten dagegen erstmals anhand konkreter Zahlen Wahlfälschungen nachweisen können und mehr Nein-Stimmen gezählt, als offiziell bekannt gegeben wurden.

Die Eingabe will nun die Kirche in den nächsten Tagen überbringen. Die Festgenommenen sind nach Informationen aus Ostberliner Kirchenkreisen mittlerweile von der Polizei wieder freigelassen worden. Gegen mehrere der Protestanten wurden Ordnungsstrafverfahren bis zu 200 Mark eingeleitet. „Beim Thema Wahlen wird am Sicherheitsaufwand nicht gespart“, so ein betroffener Ost-Berliner. „Um die Sache nicht noch weiter hochkommen zu lassen, wird härter als bislang durchgegriffen.“