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Leasing-Boom trotz voller Kassen

Zweistellige Zuwächse in der Branche / Banken sahnen ab, bekommen aber immer mehr Konkurrenz von den Töchterunternehmen der Automobilkonzerne  ■  Von Horst Buchwald

In der Leasing-Branche herrscht nicht zu Unrecht Optimismus. Vom nachhaltigen Wachstum der Investitionen profitiert sie nicht gerade schlecht. Einige Ende April bekanntgewordene Abschlüsse für 1988 sprechen für sich. Gleich um 17 Prozent auf 840 Millionen DM stieg zum Beispiel der Umsatz der ALD Auto Leasing. Branchenführer Deutsche Leasing AG meldet ein Plus von 21,8 Prozent bei den Neuabschlüssen.

Wer scharf rechnet, der least?

Schaut man in die neuesten Bilanzen der Leasingunternehmen, so scheinen davon immer mehr Personen und Betriebe auszugehen. Die Werbestrategie setzt vor allem auf ein unerschöpfliches Bedürfnispotential. Verlockende Sprüche wie: „Warum sparen Sie an Ihrem Urlaub und nicht an Ihrem neuen Auto?“ oder „Nutzen Sie Ihr freies Geld für Investitionen, die man nicht leasen kann: für alles, was Ihnen die Zukunft sichert“, fanden im vergangen Jahr immerhin mehr als zwei Millionen Kunden überzeugend. Das Anschaffungsvolumen der Leasinggüter beläuft sich bereits auf 110 Milliarden DM.

Fachleute warnen mit Recht vor den Tücken. Dem enormen Wachstumsschub dieser Branche tat dies jedoch keinen Abbruch. Hier wurden Zuwächse erzielt, die es sonst nur noch in der EDV-Industrie gibt. Und diese Dynamik wurde erzielt, obwohl viele Unternehmen dank steigender Gewinne in den vergangenen Jahre volle Kassen haben und eben daraus auch ihre Investitionen finanzieren können. Dennoch expandierten die Leasinginvestitionen nach einer Untersuchung des Ifo -Instituts im Jahre 1987 um über 15 Prozent.

Auffallend ist, daß der Anteil der privaten Haushalte vor allem wegen des Kfz-Leasings enorm zugenommen hat. Noch zu Beginn der achtziger Jahre lag das Immobilien-Leasing obenan. Bereits 1985 wurde diese Art des Mietens durch Büromaschinen/EDV-Anlagen und Kfz überholt. Gegenwärtig haben PKW, LKW und sonstige Fahrzeuge mit einem 46prozentigen Anteil die Büromaschinen/EDV-Anlagen (28 Prozent) weit abgeschlagen. Es folgen Produktionsmaschinen (neun Prozent), Nachrichten-, Signal- und Medizintechnik (acht Prozent), Geschäfts- und Bürogebäude (fünf Prozent) sowie Produktionsgebäude und Lagerhallen (vier Prozent). An dieser Aufreihung wird zugleich deutlich, wie stark sich das Leasing aufgefächert hat.

Ein typisches Kennzeichen der Leasinggesellschaft ist ihre enge Verflechtung mit den Banken und Sparkassen. Letztere besitzen hohe Anteile an solchen Leasern wie Deutsche Anlagen-Leasing GmbH oder Deutsche Leasing AG. Zu den Genossenschaftsbanken gehört die Mietfinanz GmbH. Die weitaus bedeutendste Position nehmen jedoch die drei Großbanken ein. Zur Deutschen Bank zählen die ALD Autoleasing, GEFA-Leasing, IKB und WKV Leasing sowie die Deutsche Immobilien-Leasing GmbH. Die Dresdner Bank beherrscht Auto-Sixt Leasing und ist auch bei der IKB Leasing beteiligt. Mit hundert Prozent verfügt die Commerzbank über die Commerz- und Industrie-Leasing GmbH und ist mit unter 50 Prozent ebenfalls bei der IKB Leasing beteiligt.

Eine ebenso bedeutende Stellung nehmen indessen die Automobilkonzerne ein. Auf dem seit Jahren boomenden Auto -Leasing-Sektor haben sie den herstellerunabhängigen Leasern immer mehr Marktanteile geraubt. Die Leasing-Töchter von VAG (Volkswagen-Audi-Gemeinschaft), Opel, Ford, BMW, Renault, Fiat und Mercedes beherrschen mit einem Anteil von 62 gegen 38 Prozent das Marktgeschehen eindeutig. Und weil sie auf diese Weise - häufig über ihre Bank-Töchter - in den angestammten Bereich der Banken eindringen, kam es zum Krach.

In einem Prozeß gegen die Ford-Werke AG und die Ford Credit Bank klagte die Deutsche Bank-Tochter ALD Auto Leasing GmbH, der Ford-Konzern habe der Bank-Tochter und den Leasinggesellschaften der Ford-Händler Zuschüsse gewährt, damit besonders günstige Leasingraten für den Ford Fiesta geboten werden können. Die 31.Zivilkammer des Kölner Landgerichts verurteilte den Automobilmulti Anfang Februar, diese Zuschüsse auch der Klägerin für entsprechende Leasingangebote bei Ford-Modellen zu geben. Ford, so das Gericht, sei ein „marktstarkes“ Unternehmen, und deshalb gelte in diesem Fall das Diskriminierungsverbot, wie es der Paragraph 26 Abs.2 GWB vorsehe.

Mit diesem Richterspruch scheinen die Zeiten der Sonderkonditionen im Auto-Leasing vorbei zu sein. Doch Ford hat Mitte April Berufung eingelegt. Es geht immerhin um sehr hohe Summen. Denn zweifellos spielt in der „Autofahrernation“ die Finanzierung eine größere Rolle als die Umwelt. Branchenanalysen haben nämlich ergeben, daß mehr als 50 Prozent der bundesdeutschen Autofahrer das neue Fahrzeug entweder auf Kredit kaufen oder eben leasen.

Doch einerlei, ob die Leasing-Töchter der Banken oder Automobilkonzerne den Prozeß um Sonderkonditionen gewinnen auch heute noch gilt, was die Stiftung Warentest im Juli 1988 feststellte. Sie stellte in einer Untersuchung fest, daß für private Kunden das Leasinggeschäft in der Regel mehr Nach- als Vorteile einbringe, obwohl gerade die Automobilhersteller das Leasing-Modell als effizientes Marketing-Instrument erkannt und ihre Bedingungen in den letzten Jahren entsprechend attraktiver gestaltet hätten.

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