Kein Recht auf Bildung

Israelische Behörden halten Schulen und Universitäten in der Westbank geschlossen  ■ K O M M E N T A R E

Gleich zu Beginn des Palästinenseraufstandes in den besetzten Gebieten haben die israelischen Behörden ein flächendeckendes Bildungs- und Ausbildungsverbot über die Westbank verhängt und sämtliche Schulen und Universitäten geschlossen. Daß diese Maßnahme eher unter die Kategorie der Schikane oder Rache fällt und nichts mit den vielzitierten Sicherheitsinteressen zu tun hat, zeigt allein schon die offizielle Argumentation der Regierung.

Die Besatzungsbehörden begründen den ungewöhnlichen Schritt damit, von den Schulen würden häufig anti-israelische Demonstrationen ausgehen. Die Absurdität dieses Arguments springt geradezu ins Auge, wenn die gleichen Behörden behaupten, im Gazastreifen, wo die Schulen offen sind, würden die Eltern für ein ordentliches Verhalten ihrer Kinder sorgen. Jeder, der die Nachrichten aus den besetzten Gebieten verfolgt, weiß, daß es dort keineswegs ruhiger ist als in der Westbank, ganz im Gegenteil kommt es dort zu mehr Konfrontationen zwischen Soldaten und palästinensischen Jugendlichen. Die unterschiedliche Behandlung ist vielmehr politischen Rücksichten Israels auf das Camp-David-Abkommen geschuldet, denn im Gazastreifen wird nach ägyptischen Schulbüchern unterrichtet.

In den kurzen Phasen seit Beginn der Intifada, in denen die Schulen in der Westbank geöffnet waren, gingen die palästinensischen Jugendlichen in der Tat auf die Straßen, wie auch in den Flüchtlingslagern und Städten von Nablus bis Hebron. Nach der Logik der Besatzungsbehörden hätte eigentlich die gesamte Westbank unter eine permantente Ausgangssperre gestellt werden müssen. Gleich, ob die Schulen offen oder geschlossen sind, die Demonstrationen und der Kampf gegen die Besatzung wird weitergehen, bis eine politische Lösung in Sicht ist. Und solange werden sich auch Schüler und Studenten an diesem Kampf beteiligen.

Die Maßnahme, einer ganzen Bevölkerung das elementare Recht auf Bildung und Ausbildung zu nehmen, ist vor diesem Hintergrund vollends obsolet. Die PLO wird keinem noch so modifizierten Vorschlag, in den besetzten Gebieten Wahlen abzuhalten, zustimmen, solange dieser nicht zugleich von konkreten Schritten vor Ort - wie ein israelischer Teilrückzug, die Freilassung von Gefangenen, ein Ende der Vertreibungen und der Sprengung von Häusern - begleitet wird. Dazu gehört auch die Wiedereröffnung der Schulen in der Westbank.

Beate Seel