Nicaragua-Solidarität wohin?

Zehn Jahre Solidaritätsarbeit standen am Wochenende in Wuppertal zur Diskussion / Mißtrauen gegenüber Städtepartnerschaften: „Sozialdemokratisierung“ der Solidaritätsarbeit  ■  Von Achim Schmitz-Forte

Wuppertal (taz) - Gegen Ende der Arbeitsgruppe „Eigenständiger Entwicklungsweg und Weltmarktintegration“ streckte der Protokollant verzweifelt die Arme gen Himmel. „Alles, was ich bis jetzt notiert habe, läuft auf dasselbe raus: Ratlosigkeit.“ 10 Jahre Revolution in Nicaragua - 10 Jahre Soidaritätsbewegung: Der Kongreß hatte Halbzeit. Referate zu Sachthemen wie dem „Verhältnis von nationaler und sozialer Befreiung“ oder über Nicaraguas „gemischte Wirtschaft“ waren von den rund 400 Teilnehmern in Wuppertal interessiert angehört und kurz diskutiert worden, dann aber weitgehend resonanzlos verpufft.

Damit war die Bestandsaufnahme von zehn Jahren revolutionärer Praxis in Nicaragua abgehakt, übrigens ohne Beteiligung einer Vertreterin der FSLN. Fortan ging es um ein Thema, das den Teilnehmern stärker auf der Seele lag: die Perspektiven der Solidaritätsarbeit. Am wenigsten Probleme hatten die AktivistInnen mit der Doppelstrategie. Die Städtepartnerschaften ermöglichen eine materielle Unterstützung Nicaraguas mit Hilfe öffentlicher Mittel. Gleichzeitig bieten sie Gelegenheit zur Informationsarbeit und zur Einmischung in hiesige Politik, zumindest auf kommunaler Ebene. Die Gefahren einer solchen Arbeit, von „Projekthuberei“ über die Anpassung an „Sachzwänge“ der Kommunalpolitik bis zur möglichen Bevormundung nicaraguanischer Projektpartner, glaubt man kontrollieren zu können.

Daß die wirtschaftlichen und machtpolitischen Verhältnisse, die einen revolutionären Prozeß wie in Nicaragua bedrohen, hier bei uns verändert werden müssen, darüber war man sich auch mit denen einig, die einer „Sozialdemokratisierung“ der Solidaritätsarbeit durch Städtepartnerschaften mit tiefem Mißtrauen gegenüberstehen. Sie waren auf dem Wuppertaler Kongreß in der Mehrheit und prägten über weite Strecken die Diskussion.

Widerstand in den Metropolen tut not, so hieß die dank ihrer Allgemeinheit von niemandem auf dem Kongreß bestrittene Erkenntnis. Doch wie die aussehen soll, das blieb einigermaßen unklar. Die Idee, bei der Informationsarbeit in der BRD „bundesdeutsche Verantwortung und übergreifende Zusammenhänge“ besonders zu berücksichtigen, konnte niemanden so recht vom Hocker reißen. Als Modell wurde immer wieder die IWF-Kampagne des vergangenen Jahres genannt. Künftig will man vor allem die Unterstützung aus der BRD für die nicaraguanische Rechte im Vorfeld der Wahlen anprangern und das Themenfeld EG/Nicaragua beackern.

„Wir haben uns auf die Fragen verständigt, die in nächster Zeit im Mittelpunkt stehen“, so resümierte Barbara Lucas vom Informationsbüro Nicaragua die Diskussionen in der Manier einer geübten Öffentlichkeitsarbeiterin. Sie sieht ein tiefgreifendes Bedürfnis, „die Kriterien für Solidaritätsarbeit neu zu bestimmen“. Eine Kongreßteilnehmerin formulierte etwas deutlicher: „Daß die Linke in der Bundesrepublik derzeit keine Strategien hat, spiegelt sich eben auch in der Solidaritätsarbeit wider.“