„Das sind für mich Scheinargumente“

■ Michael Haberkorn, sozialpolitischer Sprecher der Berliner AL, zum Verbot des Polenmarktes / Inhaltlich dagegen und trotzdem dafür? / Entscheidung des Senats „wird sicherlich nicht zum Knackpunkt der Koalition“

taz: Dem Polenmarkt in Berlin soll der Garaus gemacht werden. Stehen Sie hinter dieser Entscheidung des Senats?

Michael Haberkorn: Nein. Diese rigiden Maßnahmen, die jetzt geplant sind, werden von der AL nicht befürwortet. Das haben wir am Dienstag in der Senatssitzung auch deutlich gemacht. Eine Legalisierung dieses Marktes muß angestrebt werden. Zugleich muß allerdings darauf gedrängt werden, daß die Händler die zollrechtlichen Bestimmungen einhalten.

Warum haben die AL-Senatoren dann nicht gegen die Schließung gestimmt?

Wir haben in der Diskussion gegen den Senatsbeschluß argumentiert: Wir haben aber letztlich die Entscheidung mitgetragen, um die bisherige Praxis fortzusetzen, daß Senatsentscheidungen gemeinsam vertreten werden.

Glauben Sie, daß die zollrechtlichen Probleme vom Senat vorgeschoben wurden, um sich eine unbequeme Sache vom Hals zu schaffen?

Der Beschluß vom Dienstag ist sicherlich unter dem allgemeinen öffentlichen Druck zustande gekommen. Die Argumentation mit zollrechtlichen Bedingungen mag juristisch unangreifbar sein, kann aber nicht das einzige Argument sein und läßt Argumente für den Markt unberücksichtigt. Man hätte den Markt als Trödel durchaus weiterführen können. Daß die Geschichte in gelenkte Bahnen kommt, ist natürlich auch unser Bestreben. Und die zollrechtlichen Bestimmungen können wir auch nicht außer Kraft setzen.

Glauben Sie nicht, daß man die zollrechtlichen Probleme hätten lösen können?

Beim Senat hätte die Bereitschaft da sein müssen, die zollrechtlichen Bestimmungen genau auszuloten und sich dann zu fragen, wo die Grenzen sind und was eigentlich noch möglich ist. Bei der Senatsentscheidung spielten aber offenbar noch ganz andere Gründe eine Rolle. Da wurde auf den Kleintierhandel hingewiesen, auf die Belästigungen der Anwohner, auf das Toilettenproblem usw. Das sind für mich aber Scheinargumente. Diese Probleme, die bei anderen Märkten auch auftreten, könnte man sicherlich lösen.

Ein anderes Problem des Polenmarktes ist allerdings sehr spezifisch. Dort werden Mängelerzeugnisse angeboten wie Kinderkleidung oder bestimmte Lebensmittel, die in Polen selbst schwer zu kriegen sind.

Das sehe ich auch als gravierendes Problem an. Vor allem bei den Lebensmitteln wird das, was im eigenen Lande fehlt, hier in Berlin verkauft. Politisch war dieser Markt deshalb für mich immer eine sehr schwierige Angelegenheit.

Trotzdem hatte der Markt eine starke Ausstrahlung.

Der Polenmarkt war gewissermaßen ein Ort des indirekten Ost -West-Handels. Er war sicherlich eine bunte Bereicherung für die Stadt. Daß Polen überhaupt in diese Stadt kommen konnten, um ihre Sachen zu verkaufen, das fand ich prinzipiell gut. Auf der anderen Seite war mir manchmal unwohl, wenn ich auf den Markt gegangen bin.

Ist Ihre Position, den Markt fortzuführen, in der AL -Fraktion Konsens?

Wir sollten versuchen, den Polenmarkt in einer eingegrenzten Form aufrechtzuerhalten. Ich glaube schon, daß diese Position in der AL Konsens ist. Es hat allerdings eine Senatsentscheidung gegeben, und wir müssen jetzt genau analysieren, was wir tun können.

Die Frage ist, ob diese Entscheidung des Senats für Sie so wichtig ist, daß sie einen Konflikt mit der SPD riskieren, oder ob sie die Kröte schlucken wollen.

Wir können nicht jeden Streitpunkt mit der SPD zum Konflikt machen. Mir ist es lieber, wenn wir uns jetzt zusammensetzen und einen Gegenvorschlag ausarbeiten. Der Markt wird bestimmt nicht zum Knackpunkt der Koalition.

Wie könnte Ihr Kompromißvorschlag aussehen?

Das läßt sich nicht aus dem hohlen Bauch sagen. Wir sind ja alle von der Senatsentsacheidung völlig überrascht worden.

Interview: Manfred Kriener