Flirt in Moskau

■ Irans Parlamentspräsident Rafsandschani zu Gast im Kreml

Nicht ein Freundschaftsvertrag, sondern weitreichende Absichtserklärungen wurden von Rafsandschani und Gorbatschow vereinbart. Rafsandschani kann frohlocken, ihm ist ein entscheidender Coup gelungen. Während zu Hause noch Staatstrauer um Chomeini angeordnet ist, breitet die Kremlführung ihm den Roten Teppich aus. Ungestraft kann der clevere Pistazienhainbesitzer Wahlkampf betreiben. Denn seine Auftritte im Kreml und in der Schiitenmoschee von Baku können ihm den entscheidenden Vorsprung bei der Wahl zum Staatspräsidenten sichern.

Rafsandschanis Gegner im Inneren knirschen mit den Zähnen. Sie waren immer für eine engere Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und hätten sich natürlich nicht träumen lassen, daß Rafsandschani diese jetzt vertraglich vereinbart. Auch dem Westen ist der Schreck in die Glieder gefahren. Der Mann, den sie als Verbündeten gebucht hatten, flirtet mit der Kremlführung. Aber diese Sorgenfalten sind zur Schau gestellt. Denn Rafsandschani hat sich natürlich nicht über Nacht geändert. Er will eine außenpolitische Öffnung Irans in alle Richtungen.

Daß er mit dem Befreiungsschlag Richtung Norden begonnen hat, zeigt sein Geschick, besagt langfristig jedoch nichts Entscheidendes. Genscher und Co. werden nachziehen und künftig wie früher keine Kritik mehr an Teheran üben. Ihre Konzessionen werden sie mit einer sich abzeichnenden Allianz zwischen Teheran und Moskau begründen, die es zu verhindern gelte. Dabei gibt es diese Allianz natürlich nicht. Denn bei aller im Kreml zur Schau gestellten Euphorie wird Handel und Wandel zwischen der Sowjetunion und der Islamischen Republik sich nur langsam entwickeln können.

Iran hat keine Devisen und Moskau fehlen sie bekanntermaßen auch. Nicht umsonst wurden nur Absichtserklärungen unterschrieben und blieb ungeklärt, ob die Sowjetunion tatsächlich Iran soviel Gas abnimmt und gut genug bezahlt, um alle angepeilten Projekte auch bauen zu können. Die Ernüchterung ist vorprogrammiert. Aber unter dem Strich bleibt etwas Interessantes: West und Ost setzen auf die gleiche Karte beim inneriranischen Machtpoker und dürften ihn damit bereits entschieden haben. Schmerzlich bleibt für den Westen, kein Monopol mehr bei der Entscheidung inneriranischer Auseinandersetzungen zu haben. Aber letztlich wird damit nur begriffen, was bereits seit dem Schahsturz Realität ist. Die Mullahs machen eigenständige Politik. Aber gerade weil sie Mullahs sind, können sie mit dem Kreml nur flirten, jedoch keine historischen Allianzen eingehen.

Walter Gebhart