Neues Flußzerstörungsprojekt in Osteuropa

In Wien werden Pläne für einen Donau-Oder-Elbe-Kanal diskutiert / Ähnlich unnütz wie der Rhein-Main-Donau-Kanal würde dieses Großprojekt Naturgebiete in mehreren osteuropäischen Ländern zerstören / Die CSSR kündigte den Baubeginn noch für dieses Jahr an  ■  Aus Wien Walter Oswalt

Kaum haben ungarische Naturschützer mit Erfolg das Doanu -Stau-Projekt Nagymaros verhindert, droht ein neues gigantisches Großprojekt. In aller Stille begannen gestern in Linz im Rahmen der „Economic Commission for Europe“ (ECE) der UNO trilaterale Gespräche zwischen Vertretern Österreichs, der CSSR und Polens über die Planung eines Donau-Oder-Elbe-Kanals. Es geht um ein osteuropäisches Pendant zum Rhein-Main-Donau-Kanal, eine Kanalverbindung vom Schwarzen Meer zur Ostsee. Die bisher vorliegenden Planungen sehen einen Kanal von der Donau in Österreich durch die CSSR bis zur Oder in Polen mit einer Länge von 340 Kilometern und 27 bis 29 Schleusen vor. Als zweiter Bauabschnitt wird ein Seitenkanal diskutiert, der den Donau-Oder-Kanal mit einer Länge von 172 Kilometern und 17 Stauhaltungen mit der Elbe in der CSSR verbinden soll. Darüber hinaus wird laut Prager Presse vom 2.Juni erwogen, den Kanal zur Kühlwasserversorgung des geplanten CSSR-Atomkraftwerks Blahutovce zu benutzen.

Die March (Donau-Nebenfluß), einer der letzten freifließenden Flüsse Europas mit riesigen Feucht- und Sumpfwiesengebieten und 110 Quadratkilometer Auwäldern, würde durch dieses internationale Großprojekt in einen leblosen Kanal verwandelt. Der Lebensraum Dutzender vom Aussterben bedrohter Tiere und Pflanzenarten würde vernichtet.

In internen Protokollen, die der taz vorliegen, wird über zwei internationale „Expertentreffen“ unter der „Patronanz der ECE“ berichtet, die bereits 1988 in der CSSR und in Polen zur Planungsvorbereitung stattgefunden haben. Aus einer Aktennotiz des österreichischen Wirtschaftsministeriums geht hervor, daß die CSSR die Initiative zu diesen Verhandlungen ergriffen hat. Sie sucht nach der bevorstehenden Fertigstellung des Donaukraftwerks Gabcikovo für ihre Wirtschaft ein Anschlußprojekt. Die Donaubetonierung und Flußverlegung von Gabcikovo wird im Gegensatz zu dem auf der ungarischen Seite gestoppten Donaukraftwerksprojekt Nagymaros unter Hochdruck fertiggestellt.

Wie und von wem das Projekt finanziert werden soll, ist unklar. Noch nicht einmal die Höhe der Baukosten - weit über fünf Milliarden Mark werden diskutiert - ist bekannt. Trotzdem verkündete die 'Prawda‘ - das Zentralorgan der slovakischen KP - am 16.Februar, daß mit dem Bau „einer Staustufe bei Kuty (unmittelbar hinter der Grenze der CSSR zu Österreich) schon in diesem Jahr begonnen werden soll. Es sei ein „experimentelles Bauwerk“ für den Donau-Oder-Elbe -Kanal. Der slovakische Bund für Natur- und Landschaftsschutz, durch solche Ankündigungen verwundert und aufgeschreckt, veranstaltete vergangene Woche eine Diskussionsrunde über das Großprojekt mit 150 TeilnehmerInnen in Bratislava. Dort wurde ihnen von den anwesenden Regierungsvertretern die Entschlossenheit zum Kanalbau bestätigt.

Die österreichische Regierung verhält sich zumindest nach außen ausgesprochen zurückhaltend. In dem Protokoll einer behördeninternen „Grundsatzbesprechung“ vom 10.Januar wird vom Wirtschaftsministerium in Wien distanziertes Interesse an dem Projekt artikuliert: „Jedenfalls dürfte dieses internationale Vorhaben von den im Gespräch stehenden europäischen Wasserstraßenprojekten für die nächsten Jahrzehnte als das einzig realisierbare anzusehen sein.“ Intern weist das Umweltministerium auf die innenpolitische Brisanz der Planungen hin, da „derzeit die Errichtung eines Nationalparks Donau-March-Auen im Gange ist und daß die Planung einer Donau-Oder-(Elbe)-Verbindung darauf Rücksicht nehmen müßte“. Der Bau des Kanals würde gerade diejenige wertvolle Flußlandschaft der Donau-March-Auen vernichten, die als der große Erfolg der österreichischen Naturschutzbewegung (Kampf gegen Donau-Kraftwerk Hainburg) per Gesetz vollständig unter Naturschutz gestellt werden sollte.

Die slovakischen Naturschützer gehen in die Offensive: Sie fordern statt einem neuen internationalen Flußzerstörungsprojekt einen grenzüberschreitenden Naturpark. Die österreichischen Naturschutzorganisationen, die mit ihnen zusammenarbeiten und diese Forderung unterstützen, hatten erst vor kurzem von der österreichischen Bundesregierung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, eine „Öko-Partnerschaft“, angeboten bekommen. Trotzdem wurden sie bis heute über die trilateralen Vorplanungsgespräche für den Donau-Oder-Elbe -Kanal nicht einmal informiert. Der Pressesprecher des österreichischen Außenministers teilte der „Nationalparkplanungsgesellschaft Donau-Auen“ gestern lediglich mit, daß sein Minister „Umweltschutz als neue Dimension der Außenpolitik“ verstehe.