Alice Schwarzer auf Spitzeljagd

EMMA-Herausgeberin fragt: „Wurde Ingrid Strobl von V-Mann geleimt?“ / Alice Schwarzer als Hilfstaatsanwältin / Anschuldigungen gegen angeblichen Spitzel mehr als dubios / Mit Halbwahrheiten und Unterstellungen betreibt EMMA journalistischen Rufmord  ■  Von U.Helwerth/W. Jakobs

Berlin/Düsseldorf (taz) - Wurde Ingrid Strobl das Opfer eines Agent provocateur? In der neuesten EMMA (7/89) betätigt sich Alice Schwarzer als Enthüllungsjournalistin. Nachdem der Prozeß gegen ihre Exmitarbeiterin Strobl abgeschlossen, das Urteil gefällt ist, stellt die EMMA -Chefin die Frage, die sie schon seit langem quält: Wer ist Mister X, jener Mann, für den Ingrid Strobl den Wecker gekauft haben soll, der als Zeitzündverzögerer beim Anschlag auf die Lufthansa zum Einsatz kam? Und: ist er womöglich ein V-Mann des Verfassungsschutzes? Für Alice Schwarzer scheint klar, daß dieser mysteriöse Unbekannte existiert und ihre ehemalige Freundin benutzt und in den Knast gebracht hat. Als politisches Gesinnungsurteil kann sie sich das hohe Strafmaß nicht vorstellen.

Was also haben Verfassungsschutz und Justiz zu verbergen? Alice Schwarzer hat einen Verdacht, mit dem sie nun, nach Abschluß des Prozesses nicht länger hinter dem Berg halten möchte: Mister X, gleichzeitig Agent Provocateur des Verfassugnsschutzes, könnte Uli D. ein Altlinker aus der Kölner Szene und enger Freund von Ingrid Strobl sein. Uli D. ist seit Anfang 1988 aus Köln verschwunden. EMMA bemängelt nun, daß gegen ihn zu lasch ermittelt wird, daß gegen ihn kein Haftbefehl vorliegt, daß sein Name im Prozeß gegen Ingrid Strobl nie fiel. Das ist Alice Schwarzer suspekt. Schließlich ist der „seit Mitte der 70er Jahre politisch engagierte und darum wiederholt erkennungsdienstlich behandelte“ Mann „ein alter Bekannter“ bei der politischen Polizei. Da das nähere und weitere Umfeld von Ingrid Strobl von den Ermittlungsbehörden gründlich durchleuchtet wurde, müßte - so Schwarzers dedektivischer Verstand - nach Uli D. öffentlich gefahndet werden, seine Person im Strobl Prozeß mindestens eine wichtige Rolle gespielt haben. Warum ist der Staat sowenig hinter ihm her? Die EMMA-Chefin hat sich dafür eine Geschichte zurechtgelegt - mit vieles Fragezeichen versehen: Ein Verfassungsschutzmann, eben Uli D., wird beauftragt, eine scheinbare SympathisantInnengruppe in Köln Fortsetzung auf Seite 2

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aufzubauen, um die bisher nicht gefaßten „Revolutionären Zellen“ und die „Rote Zora“ „aus der Deckung zu holen“. Der Anschlag auf die Lufthansa wird inszeniert, um Fakten zu schaffen. Als Indiz, daß Mister X gleichzeitig V-Mann des Verfassungsschuztes ist, gilt Alice Schwarzer der harmlose Schaden im Mauerwerk des Lufthansa-Büros, (Stichwort: Celler Loch). In eigenen Recherchen zur Person hat sie herausgefunden, daß der „freie Journalist“ seit Mitte der 70er Jahre in der Polit-Szene bekannt und aktiv war, „immer viel Geld“ besaß und außerdem „menschlich“ vielen „unsymphatisch“ war, weil „sein Widerspruch zwischen Anspruch und Realität “ zu groß schien. Mehr „Erkenntnisse“ liegen ihr nicht vor.

Allerdings haben Schwarzers Verdächtigungen gegen Uli D. einen entscheidenden Haken: Um ihre zentrale These vom staatlichen Desinteresse an Mister X aufrecht erhalten zu können, unterschlägt sie wesentliche Fakten. Uli D., dessen Wohnung in seiner Abwesenheit im Rahmen der Großrazzia gegen revolutionäre Gruppen am 18.12. 87 durchsucht wurde, ist seit Anfang 1988 untergetaucht. Seitdem läuft gegen ihn bei der Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren „wegen Verdachts einer Straftat nach §129 a“ (Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung Revolutionäre Zellen/RZ). Zunächst stellten die Ermittler umfangreiche

Befragungen im Verwandten- und Freundeskreis an. Im Dezember 1988 wurde dann wegen der Ermittlungen gegen Uli D. Und einer weiteren, legal lebenden Frau, in Bochum eine Wohngemeinschaft durchsucht. Weil zwei Bewohnerinnen Zeugenaussagen über Uli D. verweigerten, wurden sie - wie mehrfach berichtet - auf Beschluß des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof im April dieses Jahres für mehrere Wochen in Beugehaft genommen. In dem Beschluß vom 17.2. 89 gegen gegen eine der Frauen hieß es wörtlich: „Die Anordnung der Beugehaft ist angesichts der Schwere des dem Beschuldigten D. Zur Last liegenden Tatvorwurfs und der Bedeutung, die der Aussage der Zeugin zukommt, auch verhältnismäßig ... angesichts der geschilderten Umstände besteht Grund zu der Annahme, daß die Zeugin Ho. Angaben über den Verbleib ihres Freundes D. Seit Anfang des Jahres 1988, dessen Kontakte in der Szene und über seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort machen kann. Diese Angaben und die sich ggf. Daraus ergebenden Möglichkeiten für weitere Ermittlungen sind für die Fortführung des Verfahrens von ausschlaggebender Bedeutung, weil im derzeitigen Stadium kaum noch andere Beweismittel, durch die der Tatverdacht überprüft werden kann, zur Verfügung stehen.“ In dem Beugehaftbeschluß des BGH-Ermittlungsrichters gegen die Zeugin G. Hi. Vom 28.2. 89 heißt es: „Diese Maßnahme steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Erheblichkeit der zu erwar

tenden Beweise. Gegen die Beschuldigten wird wegen einer Straftat von erheblichem Gewicht ermittelt. Die Zeugin gehört zum persönlichen Umfeld des Beschuldigten D. Und kann daher möglicherweise Angaben über dessen persönlichen Lebensbereich machen, die für die weitere Aufklärung der Sache von Bedeutung sind.“ Nie zuvor wurden in einem 129a -Ermittlungsverfahren Zeugen mit der schärfsten Waffe, der Erzwingungshaft traktiert. Gibt es einen eindeutigeren Beleg für den tatsächlichen Ermittlungsdruck der Behörden? Dennoch schreibt Schwarzer, die Behörden seien „krassen Hinweisen“ „noch nicht einmal nachgegangen“. Sie wußte es besser, denn die Anwältin von Uli D., Dorothee Frings hat vor Drucklegung des Artikels in der EMMA-Redaktion die tatsächlichen Fakten dargelegt. Vergeblich. Frings: „Das ist journalistischer Rufmord.“ Der Verteidiger Ingrid Strobls, Hartmut Wächtler hatte Alice Schwarzer aufgefordert, sich nicht als Hilfsstaatsanwältin zu betätigen und den Text nicht zu veröffentlichen. Daß nach Uli D. nicht öffentlich gefahndet wird, spricht laut Schwarzer ebenfalls gegen ihn. Tatsächlich dokumentiert diese Darstellung allein die Ahnungslosigkeit der EMMA-Chefin, denn Uli D. ist nur einer von vielen die im Rahmen von 129a-Ermittlungsverfahren Untergetauchten und gegen die nie öffentlich gefahndet wurde. Daß sie als Journalistin von der Bundesanwaltschaft nicht erfährt, ob gegen solche Personen Haftbefehle vorliegen, ist nichts außergewöhnliches,

wie Schwarzer suggeriert, sondern der Regelfall.

Selbst Schwarzers Ausführungen über Uli D.s Privatverhältnisse beinhalten statt Fakten lediglich Spekulationen. Uli D. machte Anfang der 80er Jahre bei der taz eine Umschulung zum Redakteur und war dort bis Mitte 1985 als Kölner Regional-Korrespondent tätig. Uli D. hatte „immer viel Geld“, schreibt Schwarzer ohne irgendeinen Beleg zu nennen. Tatsächlich hatte Uli D. einmal im Leben Geld und das hat die SPD zu verantworten. In deren Kölner Druckerei hat Uli D. jahrelang malocht. Als die Partei den Laden dicht machte bekam er wie alle anderen auch, eine Abfindung. Er nahm es, freute sich und gab es aus.

1982 veröffentlichte die taz eine Recherche über einen tatsächlichen Versuch des Landeskriminalamtes Stuttgart eine revolutionäre Zelle in eigenen Regie zu Gründen. Der Journalist, der dem LKA damals auf die Schliche kam, heißt Uli D.