Streit um die Linie

■ Berliner Drogentherapieeinrichtungen gegen Methadonprogramm Position unter Therapieeinrichtungen jedoch umstritten

Mit sicherem Gespür fürs Timing hat gestern der Arbeitskreis der Berliner Drogentherapieeinrichtungen wenige Tage vor der Senatsanhörung zum Thema Methadon seine deutliche Ablehnung erklärt. Man empfinde es als zynisch und letztlich suchtverlängernd, Drogenabhängigen Suchtmittel zu verabreichen, heißt es in der Stellungnahme, die allerdings nicht von allen im Arbeitskreis vertretenen Therapieeinrichtungen unterzeichnet wurde. Das Papier enthält eine scharfe Kritik an der neueren Diskussion um „Akzeptanz in der Drogenarbeit“. In der Methadondiskussion würden Suchtmittel zu häufig bagatellisiert; wer von „legitimen Rauschbedürfnissen“ spreche, verniedliche die Drogensucht mit ihrer radikalen Zerstörung der Persönlichkeit.

Nach Auffassung des Antidrogenvereins (ADV), der dem Arbeitskreis angehört, ist das Papier „alles andere als hilfreich, da es sich nicht an den tatsächlichen Bedürfnissen der Drogenabhängigen orientiert“. Der ADV bemängelt, daß das Argument der Entkriminalisierung ausgeklammert würde.

Bislang wird in Berlin Methadon nur von niedergelassenen Ärzten in Einzelfällen verschrieben, die vorher von einer Ethikkommission der Berliner Ärztekammer geprüft werden müssen. Von verschiedenen Seiten wird kritisiert, daß der Behandlung mit Methadon fast nur bei Aids-Kranken im fortgeschrittenen Stadium stattgegeben wird. Auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband wünscht sich nach den Worten seines zuständigen Fachreferenten, Reinald Purmann, etwas mehr Spielraum für die niedergelassenen Ärzte. Das wiederum geht einigen Therapieeinrichtungen schon zu weit, die am Grundsatz der absoluten Drogenfreiheit festhalten.

In seiner deutlichen Ablehnung von Methadon begibt sich der Arbeitskreis, zu dem unter anderem auch die Therapieeinrichtungen „Day Top“ und „Synanon“ gehören, auf fachlich unsicheren Boden. So wird eine mögliche Verringerung des HIV-Infektionsrisikos durch Methadon mit der Begründung verworfen, Hauptansteckungsweg sei der Sexualverkehr, nicht aber dreckige Spritzbestecke. Wolfgang Schichterich von der Berliner Aids-Hilfe hält das für eine „sehr politische Bewertung“. Das Infektionsrisiko sei beim sogenannten „needle sharing“ genauso hoch einzuschätzen wie beim Sexualverkehr ohne Kondom.

Der Kampf um die „richtige Linie“ in der Drogenpolitik wird aller Voraussicht nach am 6. und 7.Juli weitergeführt, wenn die Arbeitsgruppe des Senats zu zwei Anhörungen zum Thema Methadon einlädt. Am 14.Juli will der Arbeitskreis Berliner Drogenabhängige die zuständigen PolitikerInnen zur Diskussion bitten.

anb