Drittmittel und Demokratisierung

Ein Plädoyer für die Einführung „Interdisziplinärer Arbeitsgruppen“ durch das neue BerlHG  ■ G A S T B E I T R A G

Mit den von der Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller vorgelegten Synopse wurde vor drei Wochen die Diskussion um die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) eröffnet. Kernpunkt soll nach ihren Worten die Stärkung der Mitbestimmung an den Hochschulen sein. Doch bei den bisherigen Vorschlägen bleibt der Bereich der Forschung fast völlig ausgespart, kritisiert der Historiker Wolfgang Wippermann. Um auch die Forschung zu demokratisieren, plädiert er für die Wiedereinführung der früheren „Interdisziplinären Arbeitsgruppen“ (IAG).

Vor zwanzig Jahren berichteten die Zeitungen über einen strebsamen Assistenten, der so strebsam war, daß er seinem Professor auch die Koffer packte. Damals fand man dies nicht gut und machte eine Reform. Der strebsame Assistent wird sich vermutlich daran beteiligt haben und wird mit Sicherheit selber Professor geworden sein. „Seine“ Assistenten, Hilfskräfte etc. wird er aller Vorraussicht nach zu so wichtigen Dingen wie Babysitten und zum Schreiben von Aufsätzen und Büchern einsetzen, und zwar seiner Kinder und Aufsätze und Bücher. In dieser Geschichte sind facts und fiction miteinander vermischt. Faktisch nachweisbar ist, daß heute wissenschaftliche Mitarbeiter und Hilfskräfte von ihren Professoren in einem Maße ausgebeutet werden, wie man sich dies vor 20 Jahren überhaupt nicht vorstellen konnte. Ursache ist die Tatsache, daß der Bereich der universitären Forschung von den universitären Reformen kaum berührt wurde. Werden Mitarbeiter über sogenannte Drittmittel finanziert, so gibt es nicht den Schein einer Demokratisierung. Sie sind ihrem Professor auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Schließlich hat er das Projekt bei wirtschaftlichen und staatlichen Institutionen beantragt und bei ihnen die deshalb so genannten Drittmittel eingeworben. Wie kann man diese Situation ändern? Wie kann die Forschung demokratisiert werden, ohne dabei auf die notwendigen Drittmittel zu verzichten? Eine Möglichkeit ist, bei der anstehenden Novellierung des Berl HG die früheren „Interdisziplinären Arbeitsgruppen“ (IAGs) wieder einzuführen, die leider den „Reformen“ und die Novellierung der 80er zum Opfer gefallen sind. Für diese IAGs spricht einmal, daß sie die heute in vielen Bereichen - von der Umwelt- über die Frauen- bis hin zur Faschismusforschung einfach unverzichtbare Interdisziplinarität vorsehen, ja vorschreiben. Hinzu kommt ein politisch-organisatorischer Grund. Schon nach dem alten Gesetz konnten die Mitglieder dieser IAGs kooptiert werden. Dies heißt, daß auch Mitarbeiter und Fachleute von außerhalb zu gleich- und stimmberechtigten Mitgliedern werden konnten. Dies klingt banal und einfach - und ist es im Grunde ja auch. Um Mitglied einer IAG zu werden, würde allein die Qualifikation, nicht der akademische Stand entscheidend sein. Damit könnte das Problem der Drittel-, Viertel- und sonstigen Paritäten faktisch umgangen werden. Zugleich könnten die rot, grün, aber vor allem tiefschwarz angestrichenen universitären Elfenbeintürme für qualifizierte und interessierte Fachleute von außerhalb geöffnet werden. Die nach demokratischen Prinzipien organisierte Forschung könnte so transparent und kontrollierbar gemacht werden. Das dies notwendig ist, könnte schließlich auch den Drittmittelgebern verdeutlicht werden. All dies ist im Konjunktiv geschrieben. Gleichwohl ist die weitgehend vergessene Reform der universitären Forschungsorganisation möglich und realisierbar.

Wolfgang Wippermann