Wo geht's zur „Lücke“?

■ Der Fall Rheineisen und die neuen Exportgesetze

Bonn (taz) - Wer anerkannt gefährliche Vorprodukte für chemische Kampfstoffe „vermakelt“, macht sich nicht strafbar und braucht noch nicht einmal eine Genehmigung. Eine Genehmigung ist nur erforderlich, wenn die beteiligte Firma zu irgendeinem Zeitpunkt selber im Besitz des Stoffes ist: Dann gilt es nämlich als Transitgeschäft. Unabhängig davon, was die Firma Rheineisen nun wirklich gemacht hat, ist es bemerkenswert, wenn die Regierungsexperten nun scheinbar überrascht wieder eine „Lücke“ im Gesetz feststellen.

Erstens: Die gerade in den Bundestag eingebrachten Novellen zum Außenwirtschaftsrecht und zum Kriegswaffenkontrollgesetz wurden mit dem Versprechen versehen, nun seien alle „Lücken“ geschlossen. Wer das nie geglaubt hat, wird nun bestätigt.

Zweitens: In dieser Novelle zum Kriegswaffenkontrollgesetz steht, daß künftig nicht nur die Entwicklung und Herstellung von Chemiewaffen eine Straftat ist, sondern auch die „Förderung“ derartiger Handlungen. Der gesunde Menschenverstand würde annehmen, daß die „Vermakelung“ von eindeutig klassifizierten Vorprodukten in ein Kriegsgebiet eine derartige „Förderung“ ist. Davon geht die Bundesregierung aber offensichtlich nicht aus, und das sagt alles über diesen neuen Strafparagraphen aus, der doch nach der Libyen-Affäre als wuchtiger Hammer gegen die „Todeskrämer“ verkauft wurde. Er entlarvt sich nun als Makulatur, noch bevor er verabschiedet ist. Denn fast alle Skandale der jüngsten Zeit - zum Beispiel der Fall Irak zeigen, daß politisch und juristisch entscheidend ist, ob die „Förderung“, also die indirekte Beihilfe geahndet wird. Welche Firma trägt schon die brisante Ware von Hand über die Grenzen?

Drittens: Zur Füllung der „Lücke“ hatte die SPD bereits vor einer Woche einen Vorschlag gemacht. Hinsichtlich der Herstellung von A-, B- und C-Waffen reiche es nicht aus, nur die direkte Mitwirkung zu verbieten, sondern dies müsse für jegliche „Geschäfte“ und „Verträge“ in diesem Zusammenhang gelten. Die Bundesregierung muß nun begründen, warum sie eine derartige Verschärfung ablehnt.

Ch. Wiedemann