„Sloman Neptun“ mustert deutsche Seeleute ab

■ Erstes bundesdeutsches Schiff vom ersten ins billige „Zweitregister“ umgemeldet / Deutsche Seeleute durch Philippinos ersetzt

Die Bremer Reederei „Sloman Neptun“ hat jetzt als erster bundesdeutscher Schiffseigner die neue deutsche „Billigflagge“ genutzt. Sie ließ ihren Gastanker „Zetagas“ (3.177 Bruttoregistertonnen) in das seit März bestehende „Zweitregister“ (vgl. auch taz vom 13.6.) eintragen und tauschte die deutsche Besatzung gegen eine ausländische aus. Die neuen Seeleute kommen von den Philippinen und werden nun nach dem viel niedrigeren Heuertarif ihres Heimatlandes bezahlt. Auf der „Zetagas“, die zur Zeit auf der Elbe vor Stade-Bützfleth ankert, wurden am Samstag sechs Mannschaftsmitglieder von Bord geschickt und statt dessen acht philippinische Seeleute unter Vertrag genommen.

Von Seiten der Reederei war eine Bestätigung dazu bislang nicht zu bekommen. Doch schon am Samstagmittag hat das Bremer Amtsgericht auf Antrag des Seebetriebsrates eine einstweilige

Verfügung gegen „Sloman Neptun“ erlassen, wonach der von ihr abgelöster Bootsmann und Bordobmann mit sofortiger Wirkung wieder auf der „Zetagas“ eingesetzt werden muß. Zur Begründung hieß es, die Reederei habe es versäumt, den Seebetriebsrat zu der Versetzung anzuhören. Der Bordobmann habe als Betriebsratsmitglied durch die Versetzung nicht mehr die Möglichkeit gehabt, seine ihm nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegenden Aufgaben wahrzunehmen.

Nach den Worten von Jan Kahmann, stellvertretender ÖTV -Bezirksvorsitzender Weser-Ems in Bremen, ist mit dem Mannschaftswechsel auf der „Zetagas“ das Zweitregister in der deutschen Seeschiffahrt zum ersten Mal aktiv vollzogen worden. „Deutsche wurden abgemustert, Ausländer zu Hungertarifen an Bord geholt. Das ist Apartheid“, meinte Kahmann.

Nach Informationen des Betriebsrates haben die acht Philipinos auf der „Zetagas“ Zehnmonatsverträge bekommen und erhalten einheitlich knapp 1.000 Mark Monatslohn inklusive Überstunden. Ein deutscher Matrose verdiene dagegen 3.500 Mark monatlich, der Bootsmann komme auf etwa 3.800 Mark. Billig-Heuer:

1.000 statt 3.500 Mark

Für zwei der insgesamt sechs von der Ablösung betroffenen Seeleute lief das Arbeitsverhältnis allerdings ohnehin aus; sie haben nach Angaben der ÖTV von sich aus gekündigt. Die übrigen vier Seeleute sollen nach dem jetzigen Stand der Dinge auf andere Schiffe der Reederei versetzt werden. Keiner der Betroffenen glaube aber, so der ÖTV-Sprecher, daß sein Arbeitsplatz noch gesichert sei.

Wie der Bremer Rechtsanwalt Jürgen Maly als Prozeßvertreter

des Seebetriebsrates ergänzend mitteilte, sind von der Versetzung auf andere Schiffe neben dem Bootsmann der Schiffskoch und ein Decksmann betroffen. Aber auch ein philippinischer Motorenwärter, der bisher nach deutschem Tarif bezahlt wurde, mußte das Schiff verlassen.

Innerhalb der nächsten fünf Tage wird nach Auskunft von Maly vor dem Arbeitsgericht Bremen eine Verhandlung über die Rechtmäßigkeit der Versetzung der vier Seeleute stattfinden. Maly nannte das Verhalten der Reederei rechtswidrig, weil sie versuche, die acht philippinischen Seeleute trotz fehlender Zustimmung des Seebetriebsrates in den Bordbetrieb einzugliedern. Dieses Vorgehen stellte eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 20.000 Mark geahndet werden könne.

Auch für die ÖTV wird der Austausch von Seeleuten auf der „Zetagas“ ein juristisches Nach

spiel haben, wie ihr Sprecher Kahmann ankündigte: „Gegen das Zweitregister können wir generell nichts unternehmen, weil es Gesetz ist, aber wir werden die Qualifikationen der Philippinos überprüfen lassen. Immerhin gibt es eine Schiffsbesetzungsordnung, die gewisse Mindestanforderungen vorschreibt.“

Kapitäne, erste und zweite Offiziere müssen auch im „Zweitregister“ die Nationalität eines EG-Landes haben. Deshalb, und auch weil die Gebühren und Steuern in den Billig-Flaggen-Ländern nach wie vor deutlich niedriger liegen, hatte das neue bundesdeutsche Billigregister bislang noch wenig Zulauf. Ganze 18 Schiffe kehrten in den vergangenen Wochen aus Liberia, Antigua oder Panama zur schwarz-rot-goldenen Fahne zurück.

Die Reedereien hatten jedoch bereits angekündigt, daß sie von den 933 Schiffen, die heute noch im offiziellen bundesdeutschen

Register fahren, über kurz oder lang 200 ins Zweitregister umgemeldet werden sollen.

In den vergangenen 20 Jahren ging der Trend eindeutig ins Ausland. Fuhren unter der schwarzrotgoldenen Flagge der Bundesrepublik 1972 noch 962 Handelsschiffe mit 7,7 Millionen Brottoregistertonnen (BRT), so war die Zahl bis Ende 1988 auf 267 Schiffe mit 2,83 Millionen BRT gesunken. Die Zahl der Schiffe deutscher Reeder unter fremden Nationalfarben und deutschen Management stieg dagegen von 60 Einheiten mit 440 000 BRT bis heute auf 373 Schiffe mit 3,9 Millionen BRT.

Vor allem Liberia, Panama, Zypern, die Bahamas und Antigua boten bislang erheblich niedrigere Steuern und die Möglichkeit, Seeleute zu Billiglöhnen zu heuern. Zumindest letzteres ist mit dem Zweitregister nun auch unter schwarz -rot-gold möglich.

taz/dpa