Sudans Militärs haben die Nase voll

■ Nach dem Putsch will die neue Junta in Khartum Frieden mit der Guerilla im Süden des Landes schließen

Unter dem abgesetzten Staatschef As-Sadiq Al-Mahdi waren die alten Probleme des Sudan eskaliert: Bürgerkrieg, Hunger, eine marode Wirtschaft. Der neue selbsternannte Präsident, General Omar Hassan Al-Baschir, hat gleich angekündigt, die Lebensmittellieferungen der „Operation Lifeline Sudan“ fortsetzen zu lassen. Schließlich braucht er internationale Anerkennung. In anderer Hinsicht gibt sich Al-Baschir unnachgiebig: Eine Zivilregierung soll es zwar geben, ein Mehrparteiensystem lehnt er jedoch unter Verweis auf dessen Mißbrauch und die Korruption unter Al-Mahdi strikt ab.

Wo ist Sadek Al-Mahdi? Die frischgebackene Militärregierung in der sudanesischen Hauptstadt Khatoum meldet, er seit flüchtig, dagegen berichtete am Freitag ein Auslandskorrespondent, der gestürzte Premierminister sei verhaftet worden.

Ansonsten jedoch scheinen die neuen uniformierten Herren, die am Freitag früh mit Panzern führende Politiker und den Chef des Generalstabs aus den Betten holten und in Haft nahmen, das Heft fest in der Hand zu haben. Andere, nicht an dem weitgehend unblutigen Handstreich beteiligte Armee -Einheiten, so geben sie stolz über den staatlichen Sender „Radio Omdurman“ bekannt, hätten ihre Unterstützung erklärt. Ein Ausnahmezustand wurde verhängt, die politischen Parteien verboten, das Parlament aufgelöst und die Verfassung aufgehoben - kurzum: klar Schiff gemacht für die in den ersten Erklärungen angekündigte „Revolutionäre Wende zum Besseren“.

Der neue starke Mann, Omar Hassan Beshir, 45 Jahre alt, ist ein arabischer Moslem aus dem Nordsudan und gehört damit zu der Drittel-Gesellschaft, die seit der Unabhängigkeit 1956 die Macht im größten Land Afrikas in Händen hält. Sein Studium in der Sowjetunion hat ihn zum Anti-Kommunisten gemacht. Er avancierte seit Freitag nicht nur zum Vorsitzenden des „Kommandorats der Revolution zum nationalen Heil“, sondern katapultierte sich auch auf den Sessel des Verteidigungsministers und in den Rang des Oberkommandierenden der Armee.

Der frischgebackene Neo-Politiker Beshir, der vor seiner Ämterhäufung eine Fallschirmspringer-Einheit im Südsudan kommandierte, hat an der Heimatfront Korruption und Schmuggel den Krieg erklärt. Eine Rückkehr zum Mehrparteiensystem, das durch el Mahdis Winkelzüge gründlich diskreditiert wurde, hat er abgelehnt, doch eine Zivilregierung nicht ausgeschlossen - Termin allerdings offen. In der entscheidenden Frage von Krieg und Frieden ist für heute, Dienstag, eine Erklärung angekündigt. Einer der Stolpersteine für Friedensverhandlungen mit der Befreiungsarmee SPLA, die Einführung des islamischen Strafrechts, soll durch ein Referendum entschieden werden, falls in Friedensgesprächen keine Lösung erreicht wird.

Die neue Regierung muß jedoch zunächst den Verhandlungsfaden mit den Rebellen neu knüpfen, denn der Putsch hat auch die gerade mühsam angelaufenen Gespräche zwischen Regierung und der SPLA gekappt. Ein Gesprächstermin, der für gestern beim letzten hoffnungsvollen Zusammentreffen in Addis Abeba vereinbart worden war, konnte von Regierungsseite wegen höherer Gewalt nicht mehr wahrgenommen werden.

Die Militärs haben gute Argumente für ihren Griff nach der Macht: sinkender Lebensstandard, wirtschaftlicher Bankrott, Bürgerkrieg im Sudan, Konflikte mit den Nachbarn, Parteigezänk - die Lage war eben so ernst wie chaotisch, und die Regierung von Präsident Sadik el Mahdi nicht in der Lage, sie zu ändern. Kaum jemand in Khartoum weint ihr eine Träne nach.

Al-Mahdi, Enkel des legendären Staatsgründers „Mahdi“ und Anführer der Ansari-Sekte, hatte Regierungschef Numeiri 1983 heftigst kritisiert, als dieser die islamische Rechtsprechung, die Scharia, mit ihren körperlichen Strafmethoden, den Hadoud, einführte. Innerhalb von zwei Jahren ließ Numeiri mehr Gliedmaßen amputieren, öffentliche Auspeitschungen und Hinrichtungen vornehmen als die Saudis in den letzten 20 Jahren.

Im Gegensatz zu seiner zunächst liberal islamischen Position näherte sich el Mahdi im Laufe seiner Amtszeit immer mehr der Nationalen Islamischen Front (NIF), der politischen Metamorphose der Moslembrüder, an. Letztes Jahr kam es zum politischen Schulterschluß: die NIF wurde an der Regierung beteiligt, el Mahdi rief zum „Heiligen Krieg“ gegen die christlichen Südsudanesen auf und wurde zum Advokaten für die Scharia als Staatsrecht. Erst als die Armee ihm im Februar per Ultimatum die rote Karte zeigte und ihn zu Friedensverhandlungen und zur Neubildung der Regierung nötigte, ließ Mahdi die NIF fallen, um sich selbst zu retten.

Doch nicht nur el Mahdis Machtpoker beendeten die Militärs in der Morgendämmerung des vergangenen Freitags, sondern auch die Demokratie, zu der das Land voll Hoffnung vor drei Jahren zurückgekehrt war. Al-Mahdis konservative Umma-Partei war im April 1986 als stärkste Partei aus den ersten Wahlen seit 17 Jahren hervorgegangen, mit denen sich die Militärs vorübergehend - aus der Politik verabschiedeten. Sie hatten Gaafar Numeiri 1969 zur Macht verholfen und seiner Herrschaft 1985 wiederum ein Ende bereitet, nachdem er durch militante Proteste der Bevölkerung von Khartoum gegen den wirtschaftlichen Niedergang und die Scharia schwer angeschlagen war.

Die Demokratie erbte von Numeiri den Bürgerkrieg im Süden, einen Berg Schulden und eine darniederliegende Wirtschaft. Trotz Weizenimporten aus den befreundeten USA gab es kein Brot in den Läden. Millionen Arbeiter wanderten in die Golfstaaten ab, das Land war zahlungsunfähig. Das Geld, täglich eine Million US-Dollar, verschlang der erbarmungslose Krieg im Süden. Seit 1983 kämpft die Befreiungsarmee SPLA nicht nur für eine wirtschaftliche und politische Gleichberechtigung des jahrelang vernachlässigten Süd-Sudan, sondern auch gegen den Marsch in einen islamischen Staat, in dem alle Nicht-Moslems, d.h. ein Drittel der sudanesischen Bevölkerung, Bürger zweiter Klasse wären.

Nach drei Jahren el Mahdi sind die geerbten Probleme um ein Vielfaches eskaliert: im Süden ein Krieg, der nicht zu gewinnen ist, eine chaotische Wirtschaftssituation, auf der rechten die Fundamentalisten, die einen Friedensschluß apodiktisch ablehnen. Sie haben großen Zulauf aus der „no -future„-Generation der Schulabgänger ohne Job-Aussichten und kontrollieren den Schwarzmarkt und die Rücküberweisungen der Arbeitsimigranten aus den Golfstaaten, die Nottransfusionen, die das Leben noch einigermaßen in Gang halten.

Der Putsch weckt Erinnerungen an 1969: Auch damals war die Armee in einen Krieg gegen Rebellen im Südsudan verwickelt, den sie nicht gewinnen konnte. Auch damals war die Zivilregierung durch politische Rangeleien weitgehend handlungsunfähig. Doch damals dauerte es drei Jahre bis Numeiri einen Frieden im Süden zustande brachte, und es dauerte 17 Jahre, bis die Armee sich aus der Politik in die Kasernen zurückzog.

Christa Wichterich