BOTSCHAFTSMELODIE

■ Art Blakey & The Jazz Messengers im Quasimodo bei „Jazz in July“

Art Blakey muß man nicht nur hören, man muß ihn sehen. Seine Gesten sagen mehr über seine Musik als jedes Wort.

Der dienstälteste Schlagzeuger des Jazz rückt bedächtig den Hocker zurecht, prüft noch einmal den Griff der Sticks, läßt sie in seine Hände gleiten, zieht die Trommel mit dem abgenutzten Fell ein Stückchen näher; so, jetzt stimmt der Abstand. Ladies and Gentlemen, es kann losgehen. Heute abend darf ich Ihnen vorstellen: die neuen Jazz Messengers. Merken Sie sich die Namen, denn schon morgen könnten diese jungen Leute, fast so jung wie meine Enkel übrigens, ganz groß herauskommen. Sie sind allesamt hervorragende Talente und meine Schüler.

Die Rundhölzer tuschieren die Felle, ein Becken erhält seinen ersten Seitenhieb, schnurrt zunächst noch zaghaft. Die hellen Handinnenflächen sind jetzt kaum noch sichtbar, die Hölzer werden zu verlängerten Fingern, scheinen verwachsen mit Blakeys Körper. Den Kopf ein wenig nach links gebeugt, den Unterkiefer mit der Zunge ausgepolstert, leuchten die Zähne und die Augäpfel aus dem dunkelhäutigen Gesicht.

Der Siebzigjährige mit den angegrauten, kurzgekräuselten Haaren lächelt seinen Mitspielern ins Solo, macht Faxen fürs Publikum, wenn Essiet Essiet den Kontrabaß betört oder Javon Jackson Asax kühle, trockene Altsaxtöne durchs stickige Quasimodo bläst. Und er findet immer noch genug Muße, beim Trommeln die Mädchen neben der Bühne ganz besonders freundlich zu belächeln und sich gestikulierend mit ihnen nach dem Set an der Theke zu verabreden.

Quer durch die Jazzhistorie jammen sie sich, die Titel brauchen nicht angesagt zu werden, bei vielen kennt man das Thema. Manche sind wie das Wiedersehen mit einem jahrelang nicht gesehenen Freund, man erkennt das Gesicht, nur der Name will einem nicht einfallen. Bird, Miles Davis, Coltrane, die Geschichte lebt auf der Bühne weiter, ihre Benennung wird zweitrangig.

BeBop, HardBop, ein bißchen Cool, das Schema bleibt traditionell, manchmal denkt man, es sei alt und ausgeleiert. Aber so wie sich die jungen Messengers zu sehr an ihr Solo klammern, aus Unsicherheit vielleicht, zu starr und statisch agieren, haut der Alte dazwischen, knallt einen Wirbel in angenehm säuselnde Trompetenstöße, treibt die anderen vorwärts, läßt sie nicht in Ruhe. Er tritt dem Jazz, der mit ihm alt geworden ist, kräftig in den Hintern, damit er nicht im Stehen einschläft.

Diese Methode scheint auch Blakey selbst recht gut zu bekommen, nur wenn man ihn vor einigen Jahren schon mal erlebt hat, bemerkt man, daß auch er altern muß. Aber noch scheint er agil genug, immer wieder mit neuen jungen Musikern auf Tour zu gehen und ihnen mit seinem Namen zu einem größeren Publikum zu verhelfen. Solcherlei Talentförderung hat schon Wayne Shorter, später mit Weather Report großgeworden, oder auch Wynton Marsalis zum Sprung auf die Karriereleiter animiert.

Wird der große Jazzmanitou Sir Arthur Blakey eines hoffentlich fernen Tages doch einmal in die ewigen Jagdgründe der Trommlergemeinde abbgerufen, dürften Hunderte von ehemaligen Messengers hinter dem Sarg durch die Straßen ziehen und dem Meister ein Blues-Ständchen bringen. Dieser Mann ist nur mit einem Lächeln adäquat zu verabschieden.

Andreas Becker

Heute abend ab 22 Uhr in der Reihe „Jazz in July“ im Quasimodo: Astrud Gilberto & Band; weitere Termine des Festivals bis 22.Juli täglich im Programmteil.