Entwicklungsprogramm als Miete für US-Basen

Wenn am Sonntag die philippinische Präsidentin in die Bundesrepublik kommt, geht es auch um die Beteiligung Bonns am „Mini-Marshall-Plan“ für das südostasiatische Land  ■  Von Axel Wagner

Gespräche über Wirtschafts- und Entwicklungshilfe stehen im Vordergrund von Aquinos Staatsbesuch vom 9. bis 11.Juli in der Bundesrepublik und West-Berlin. Dabei geht es vor allem um eine deutsche Beteiligung am Philippine Assistance Program (PAP), einer Art multilateralem „Mini-Marshall -Plan“. Unter Aufsicht der Weltbank soll mit einem Paket aus sogenannter Entwicklungshilfe, Schuldenerleichterungen und Direktinvestitionen der Aquino-Regierung unter die Arme gegriffen werden. Am Mittwoch einigten sich die 20 Teilnehmerstaaten und sieben Organisationen der „Konsultativgruppe für die Philippinen“, die das Programm tragen sollen, auf die Gesamtsumme von 3,5 Milliarden Dollar. Mitte Mai betonte Aquino in einem 'dpa'-Interview, daß die Entwicklung der philippinischen Wirtschaft mit Hilfe ausländischer Kredite und Investitionen ein Mittel im Kampf gegen den kommunistischen Untergrund sei. „Ich habe immer gesagt“, so Aquino, „daß die Lösung des Rebellenkampfes nicht ein totaler militärischer Sieg sein kann.“ Der einzige Weg zur Bekämpfung dieses Problems „ist eine Kombination aus militärischen und wirtschaftlichen Lösungen.“ Ein multinationales Entwicklungsprogramm „würde jene Hilfe bringen, die wir suchen... Ich hoffe, daß die deutsche Regierung ein Teil dieses Programm wird.“

Während Japan knapp eine Milliarde und die USA 481 Millionen Dollar fest zusagten und weitere Mittel in Aussicht stellten, hat sich die Bundesregierung noch nicht auf eine konkrete Summe festgelegt. Sie soll jetzt zwischen Bundeskanzler Kohl und Aquino ausgehandelt werden.

Die Idee für den PAP ging von vier amerikanischen Senatoren und Abgeordneten des Kongresses aus, die im November 1987 den damaligen Präsidenten Reagan von der Initiierung eines Hilfsprogramms überzeugten. Pate stand hier das multinationale Programm der Inter-Gouvernmental-Group für Indonesien (IGGI), der es nach dem Militärputsch gegen Sukarno gelang, das Land im Sinne der Geberländer erfolgreich zu stabilisieren. Seitdem die Idee zum Philippine Assistance Program geboren wurde, beherrscht es die Schlagzeilen in Manila. Innenpolitisch erwies sich PAP zunehmend als Köder, an den die philippinische Regierung offenbar gerne anbiß, wohl auch deshalb, weil zwischendurch die Rede von zehn Milliarden Dollar war. Nun ist die Summe erheblich geringer ausgefallen, wobei ein Großteil des Geldes auch nicht geschenkt, geschweige denn zur freien Verfügung ist. PAP soll hauptsächlich aus projektgebundenen Krediten, Umschuldungen, Direktinvestitionen (einschließlich debt-to-equity swaps) sowie Handelsbegünstigungen bestehen. Verstärkte Privatisierung, Förderung der Marktwirtschaft, Öffnung der philippinischen Märkte sowie verstärkte Investitionsanreize sind die Konditionen von PAP. Diese liegen damit auf einer Linie mit den Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Programm der Weltbank. Letztere erfährt durch die ihr zugewiesene Aufsichtsrolle eine weitere Stärkung ihrer ohnehin sehr einflußreichen Position auf den Philippinen.

Das im März dieses Jahres mit dem IWF ausgehandelte Abkommen galt bereits als Test für PAP. Um das in Aussicht stehende Programm nicht zu gefährden, gab es von Manilas Seite aus nur wenig Widerstand gegen die Auflagen des Fonds. Das Timing des Programms und einige Begleitumstände lassen darauf schließen, worum es bei PAP in erster Linie geht. Der Plan tauchte erstmals öffentlich auf, als die USA und die Philippinen in eine weitere Runde der Verhandlungen über die amerikanischen Militärbasen im Lande eintraten. Als die Verhandlungen über die Basen ins Stocken gerieten, wurde es um PAP schnell still. Als man sich schließlich im Oktober letzten Jahres einigte, gab es drei Tage später ein Angebot Reagans für das Programm.

Doch die Verhandlungen im letzten Jahr beziehen sich nur auf die Zeit bis zum September 1991. Dann läuft das Stützpunktabkommen aus, das kein Vertrag im Sinne des Völkerrechts ist, sofern es nicht verlängert wird. Hierfür soll PAP die nötigen Anreize schaffen. Als der Wunsch der USA in Manila nicht auf Begeisterung stieß, sogleich in neue Verhandlungen einzutreten über die Beibehaltung der Basen nach 1991, deuteten Vertreter Washingtons unmißverständlich darauf hin, daß das Hilfsprogramm noch lange nicht beschlossene Sache ist.

Philippinische Senatoren, die die Beibehaltung der Stützpunkte befürworten, solange die USA genug dafür zahlen, haben das Hilfsprogramm denn auch stets als Miete für die Basen begriffen und damit als willkommene Argumentationshilfe in der Auseinandersetzung mit denjenigen, die für eine Auflösung eintreten. Erst die langsam um sich greifende Erkenntnis, daß PAP mit Konditionen verbunden ist und sich sogar zum Großteil nur aus Geldern zusammensetzen soll, die dem Land ohnehin gewährt worden wäre, läßt einige Senatoren von Etikettenschwindel reden. Dabei haben die USA ihre bisherigen Zahlungen für die Militärstützpunkte auch stets als Hilfe und nicht als Miete gewährt, womit letzlich sie entscheiden, wofür die Gelder ausgegeben werden. PAP bietet nun für die USA darüber hinaus den Vorteil, die steigenden Kosten für ihre Basen auf andere Länder zu verteilen. Zwar hört man es in Tokio, Bonn und anderswo nicht gerne, daß mit Entwicklungshilfegeldern indirekt für amerikanische Militärstützpunkte gezahlt wird, doch haben alle an PAP Beteiligten ihr Interesse an der Beibehaltung der US-Basen auf den Philippinen mehr oder weniger offen zu erkennen gegeben. Angesichts einer starken Befreiungsbewegung im Untergrund werden die US-Basen dabei nicht zuletzt auch als Schutz der eigenen Interessen angesehen.

Außerhalb der USA hielt sich in den Geberländern die Begeisterung für das Programm in Grenzen. Das liegt daran, daß Manilas Fähigkeit beweifelt wird, zusätzliche Gelder überhaupt sachgerecht ausgeben zu können. Schon jetzt ist die „Pipeline“ verstopft, d.h. die Regierung ist nicht in der Lage, die früher zugesagten Gelder „abfließen“ zu lassen. Nach Schätzungen der amerikanischen Regierung beträgt die angestaute Summe rund zwei Milliarden Dollar; die philippinische Regierung spricht immerhin noch von 875 Millionen Dollar.

Bislang konzentrierten sich Manilas Anstrengungen darauf, die Pipeline zu entstopfen und der Außenwelt zu beweisen, daß das Land auf das große Geld vorbereitet ist. Proklamiertes Ziel der Regierung ist es, das Geld auf dem Lande wie „Saatgut“ (schnell wachsend) einzusetzen, d.h. die Projekte sollen sich in kürzester Zeit finanziell selbst tragen, ausländische Investitionen anlocken sowie nach Möglichkeit für den Export produzieren. Um eine schnelle Amortisation zu gewährleisten und um die gewünschte Katalysatorfunktion zu erfüllen, werden die Gelder, wie es sich bei den bisher bekannt gewordenen Projekten auch abzeichnet, logischerweise in Gegenden fließen, die schon relativ entwickelt sind und über die nötige Infrastruktur verfügen. Die bisher vernachlässigten Regionen werden wieder als letzte drankommen.

Diese Tendenz zeichnet den Plan insgesamt aus. Sollte der Geldregen tatsächlich in der ein oder anderen Form stattfinden, so werden neben den ausländischen Interessen auf den Philippinen vor allem und zuerst die profitieren, die ohnehin reich sind. Die alteingesessene Oligarchie, die durch Aquino eine Absicherung ihrer Macht erfahren hat und eng mit ausländischen Konzernen verflochten ist, wird am meisten von den Krediten, ausländischen Investitionen und Exportgeschäften profitieren. Das frische Geld ermöglicht es, das System aus Patronage und Klientelismus aufrechtzuerhalten. Schon jetzt mehren sich die Gerüchte, daß einige Bürgermeister in Erwartung des PAP-Geldes neue Autos geordert haben. In einer Zeit, da die Rufe nach gesellschaftlicher Umverteilung nur mit Hilfe des Militärs unterdrückt werden können, erfährt die Elite durch PAP eine vielleicht entscheidende Stärkung ihrer Position. Während sich zudem die ausländische Kontrolle über die philippinische Wirtschaft noch weiter erhöht, müssen die breiten unteren Schichten wieder einmal abwarten, bis etwas von oben durchsickert.

Der Artikel ist eine gekürzte Fassung eines Beitrages aus 'Pintig‘ (2/89) von der Aktionsgruppe Philippinen e.V., Postfach 1141, 5444 Polch