: Japanische Schule: „Ein bißchen nicht gut“
■ Ein Jahr Internat in Oberneuland: 50 Kinder nach Hause geschickt / Defizit steigt, Isolation bleibt
Freitag, der 7. Juli ist für die 120 SchülerInnen der idyllisch gelegenen japanischen Internatsschule in Bremen -Oberneuland ein großer Tag. Zum ersten Mal, seit die Schule existiert, seit April 1988, können die Schüler ihre Nationalsportart im Wettkampf erproben: Die amerikanische Schule in Osterholz-Scharmbeck hat zum Baseball-Spiel geladen.
Minoru Suda, seit April dieses Jahres stellvertretender Direktor der Schule, ist aus Japan gekommen, um den Laden in neuen Schwung zu bringen. Stolz zeigt er die gut ausgerüsteten Klassenräume, die moderne Küche, bittet Schülerinnen herbei, von denen er weiß, daß sie inzwischen ein wenig deutsch sprechen. Aber trotz aller Großzügigkeit der Anlage, hat nicht auch er den Eindruck, daß die SchülerInnen ein wenig einsam sind, dort draußen im Park? „Das ist abhängig von der Kraft der Person“, ist seine weise Antwort. Und diese Kraft haben offensichtlich viele SchülerInnen nicht gehabt. Gut 50 von den 163 Kindern wurden bereits im ersten Jahr nach Hause geschickt, 30 wegen „Disziplinlosigkeit“, 20 wegen Leistungsschwäche.
Eine Entwicklung, die das ja
panische Internat in den Ruin treiben könnte. Denn die 30.000 Mark Schulgeld, die japanische Eltern für ihr Kind pro Jahr überweisen müssen, decken gerade mal die Hälfte der laufenden Kosten. Es bleiben Defizite in Millionenhöhe, die von japanischen Sponsoren bezahlt werden, noch bezahlt werden. Und bislang zeigt sich auch Bremen noch generös: Erst wurde für die Renovierung der ehemaligen Lungenklinik Holtheim sieben Millionen gezahlt, und jetzt kommen die Japaner in den Genuß der wohl billigsten Miete im ganzen Land Bremen: eine Mark muß der Schulverein jährlich für das Riesengelände und die Gebäude zahlen.
Während die Bremer Japanschule über Schülermangel klagt, können sich die vergleichbaren vier anderen Internate in Europa über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Die Internate in Dänemark, Irland, Frankreich sind ausgelastet, für das Internat in London gibt es gar eine Warteliste.
Sinn dieser Schule, aus Sicht Bremens, ist es weniger, japanische Kinder auf europäische Sprachen, Sitten und Gewohnheiten vorzuubereiten, sondern ein positives Image Bremens in
Japan zu erzeugen und damit wiederum japanische Firmen auf Bremer Gewerbewiesen zu locken. Eine Schule aber, die negative Schlagzeilen produziert, erreicht das genaue Gegenteil von der ursprünglichen Absicht. Und so beurteilt Hartmut Schmädicke, Chef der Wirtschaftsförderungs -Gesellschaft und Motor des Projektes, die Entwicklung der Schule inzwischen mit „gebotener Vorsicht.“ Der Aufbau einer japanischen Schule sei schließlich ein „schwieriger Drahtseilakt“.
Um nicht wieder Rabauken, Schulschwänzer und Faulenzer an die Schule zu bekommen, setzen Schmädicke und der Verein jetzt auf langsames Wachstum. Die Aufnahmekriterien wurden verschärft. Von tausend JapanerInnen in Oberneuland redet inzwischen niemand mehr. Schmädickes neue Zielzahl: Jährlich 30 Kinder mehr.
Und auch ein weiteres Ziel der Schule wurde bislang nicht erreicht: Die Integration der Japaner in das städtische Leben. „Integration setzt Kommunikation voraus“, meint Schmädicke, und an der Kommunikationsfähigkeit der japanischen Kinder fehlt es nach einjährigem Deutchunterricht noch sehr. Nur diejenigen, die bereits seit mehrern Jahren mit ihren Eltern in der Bundesrepublik leben, können sich verständlich machen. Was hilft da? Mehr Deutsch und dafür weniger Sportunterricht, meinen die Japaner. Und zu den acht Stunden Büffeln jeden Tag, kommen jetzt
Deutsch-Kurse beim Goetheinstitut. Die Kontakte zu deutschen SchülerInnen werden dagegen bewußt eingeschränkt. Vor Arbeiten beispielsweise werden Sportkontakte zu deutschen Mannschaften für eine Woche untersagt. Begründung: Die SchülerInnen sollen noch mehr lernen. Ud so ist die Inselmentalität, die die Kinder in Bremen verlieren sollten, lediglich durch eine andere Art der Isolation ersetzt worden.
Kritiker an der Schule beklagen denn auch die völlige Japani
sierung des Internates. Zudem gebe es immer noch keine pädagogische Konzeption. Weiterer Mangel: Die sowiso schon aufs Lernen reduzierten SchülerInnen haben nicht einmal die Möglichkeit, sich auf dem Schulgelände sportlich zu betätigen. Es gibt weder Halle noch Sportplatz. Und es fehlt an einer pädagogischen Betreuung außerhalb der Schulzeit.
Und auch das Ziel von Wirtschaftsförderer Schmädicke, die Akquisition von Wirtschaftsunternehmen, ist bislang noch nicht von besonderem Erfolg gekrönt.
Ein Ergebnis, immerhin: Toyota kommt im September nach Bremen. Allerdings nicht mit einem Produktionsbetrieb, sondern lediglich der Herr Toyota zum netten Plausch.
Und wie finden die zu Objekten Bremischer Wirtschaftspolitik degradierten Schüler, die da mit Baseball -Schläger in der Hand auf den Bus warten, die Hansestadt? Schulterzucken. Und die Schule? „Ein bißchen nicht gut,“ sagt einer, während die Umstehenden ihre Augen niederschlagen.
Holger Bruns-Kösters
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