Gotteslästerer scheitern in Karlsruhe

Verfassungsklage von Kirchenkritiker abgelehnt / Autoren des Münsteraner 'Stadtblatts‘ werden in den Vorinstanzen wegen Beleidigung einer Religionsgemeinschaft zu einer Geldstrafe verurteilt  ■  Von Harald Gesterkamp

Bonn (taz) - Da ihre Verfassungsklage auf uneingeschränkte Meinungsfreiheit nicht von Erfolg beschieden war, bleiben zwei Journalisten aus dem westfälischen Münster wegen Gotteslästerung zu je 600 DM Geldstrafe verurteilt. Länger als zwei Jahre liegt es bereits zurück, daß die beiden Mitarbeiter des Münerstaner 'Stadtblatts‘ den Weg nach Karlsruhe einschlugen. Da die Journalisten die per Grundrecht garantierte Pressefreiheit in den bisherigen drei Instanzen nicht genügend berücksichtigt sahen, entschlossen sie sich, die obersten Verfassungsrichter anzurufen. Mit der Begründung, die Verfassungsklage habe nicht hinreichend Aussicht auf Erfolg, nahmen die Karlsruher Richter die Beschwerde jedoch nicht zur Entscheidung an.

Streitobjekt ist der im August 1985 im Münsteraner 'Stadtblatt‘ erschienene Artikel „Die Gottespest“ von Holger Jenrich. Darin hatte der Journalist die juristische Verfolgung von Kirchenkritikern in der Bundesrepublik dokumentiert. Kurioserweise ergänzte die Staatsanwaltschaft nach der Lektüre von Jenrichs Machwerk dessen beträchtliche Sammlung um den eigenen Fall. Als eine Religionsgemeinschaft beleidigend und den öffentlichen Frieden störend - diesen Zusatz fordert der mittelalterliche Gotteslästerungsparagraph 166 StGB - bezeichnen die Richter dabei in erster Linie nicht eigene Formulierungen des Autors, sondern zitierte Gotteslästerungen aus fremder Leute Feder. So verurteilten die Juristen Holger Jenrich unter anderem wegen Äußerungen des 1906 verstorbenen Kirchengegners Johann Most oder aufgrund der Dokumentation und Beschreibung eines Titelbildes der Satirezeitschrift 'titanic‘, auf der Papst Johannes Paul in einen Sodomie -Vorgang mit einem Schaf verwickelt ist. Mit Jenrich wurde auch die damals presserechtlich Verantwortliche der Zeitung um 600 Mark ärmer.

„Undifferenziert, bösartig und haßerfüllt“ sei der umstrittene Artikel, beschieden die Richter seinerzeit. Die Pressefreiheit mußte dabei hinten anstehen, wie der Medienrechtler Udo Branahl in einem 25 Seiten starken Gutachten im Auftrag des Stadtmagazins schlüssig herausarbeitete. Anders als der Universitätsprofessor urteilten jetzt die Karlsruher Richter: „Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden“ sei der Spruch des Landgerichts. Und weil das ganze ein Vorfall aus der Bischofsstadt Münster war, betonten die Juristen in ihrer Begründung des Ablehnungsbeschlusses: „Das gilt insbesondere für den Maßstab des 'katholischen Durchschnittslesers‘, auf den das Landgericht abstellt.“ So endete die Auseinandersetzung letztlich, wie sie begonnen hatte: als Provinzposse.