Belgien: Der König hat das letzte Wort

In der Brüsseler Teilgemeinde Schaerbeek sollten türkische und arabische Plakate verboten werden / Ein Gemeinderat in Europas Hauptstadt will nur die EG-Sprachen zulassen / König Baudouin setzte das wieder außer Kraft  ■  Von Hortense Hörburger

Brüssel (taz) - Wie gut, daß es noch Könige gibt, auch wenn sich in einer konstitutionellen Monarchie wie Belgien die Aufgabe des Königs darauf beschränkt, seine Unterschrift unter Regierungsbeschlüsse zu setzen. Mit dem königlichen Erlaß vom 11.Juli 1989 setzte nämlich König Baudouin eine äußerst rassistische Entscheidung des Stadtrats der Brüsseler Teilgemeinde Schaerbeek außer Kraft. Der Gemeinderat hatte entschieden, daß in Schaerbeeker Geschäften Handzettel, Firmenschilder und Plakate nur in den Sprachen der EG ausgehängt werden dürften. Türkische, arabische oder chinesische Firmenschilder sollten verboten werden.

Brüssel als solches existiert eigentlich gar nicht, sondern ist ein Konglomerat von 18 autonomen Teilgemeinden, eine davon der Stadtkern von Brüssel, also die Teilgemeinde „Brüssel“. Jede Teilgemeinde wählt einen eigenen Stadtrat und einen eigenen Bürgermeister. Ein kommunales Wahlrecht für AusländerInnen gibt es in Europas Hauptstadt nicht auch wenn die EG-Kommission dies gern in ganz Europa verwirklicht sehen würde.

Möglicherweise sähe in Schaerbeek einiges anders aus, wenn auch AusländerInnen wählen dürften. In der Gemeinde, die sich unmittelbar an die Dienstgebäude der EG-Kommission und des Ministerrates anschließt, leben rund ein Drittel Ausländer, darunter vor allem Einwanderer und Wanderarbeiter aus dem Maghreb und der Türkei. Schaerbeek ist eine der ärmeren Teilgemeinden von Großbrüssel mit entsprechend niedrigen Mieten. Und während überall sonst in Brüssel die Immobilienpreise mit Blick auf 1992 kräftig anziehen, ist dies hier - noch - nicht der Fall. Aber schon lassen sich neben marokkanischen Großfamilien jüngere Europabeamte in Schaerbeek nieder, kaufen die billigen Häuser und renovieren mit viel Geschmack und Kleingeld den preiswert erworbenen Besitz.

Die Sprachenentscheidung des Schaerbeeker Stadtrats bewegt die Gemüter von Schaerbeek, von Brüssel, ja von ganz Belgien. Hand- und maschinengeschriebene Zettelchen in Läden haben in Belgien Tradition. Ob eine Katze zu verschenken ist oder jemand seine Dienste als Babysitter anbietet: hier kann man/frau es nachlesen.

Die Entscheidung des Stadtrats trägt die Handschrift des früheren Bürgermeisters Roger Nols, dessen Liste die Mehrheit im Stadtrat hat. Nols selber ist nicht mehr Bürgermeister, aus gesundheitlichen Gründen hatte er auf eine neue Kandidatur verzichtet. Nols gehört der Liberalen Partei an, ist aber konservativ bis auf die Knochen.

Der Stadtrat argumentiert jetzt, die Einwohner von Schaerbeek fühlten sich durch Zettel, die sie nicht lesen könnten, verunsichert. Und Roger Nols meinte in einem Zeitungsinterview, mit Hilfe dieser Zettel könnte eventuell Drogenhandel getrieben werden. Beweise dafür hatte er nicht. Freilich ist kaum anzunehmen, daß die frankophonen und flämischen Einwohner von Schaerbeek die EG-Sprachen Dänisch oder Griechisch eher lesen können.

Nols und die seinen haben in den letzten Jahren mehrfach versucht, der arabischen Bevölkerung das Leben schwer zu machen. Es hat Versuche gegeben, ihren Kindern den Zugang zu Kindergärten und kommunalen Schulen zu erschweren Nicht-EG -Ausländern das Recht zu verwehren, in Schaerbeek ein Haus zu kaufen.

Aber Nols ist nicht nur fremdenfeindlich, er ist konsequent. Schon einmal hatte ihn das Sprachenfieber gepackt. In allen Amtsstuben, so die damalige Dienstanweisung, mußten getrennte Schalter für Frankophone und Flämischsprechende eingerichtet werden. Doch damals wie heute behielt der König das letzte Wort: Die sprachgeteilten Schalter wurden wieder abgeschafft. Solange der König „regiert“, der seine Thronrede dreisprachig, auf Französisch, auf Flämisch und auf Deutsch halten muß, ist auch das multikulturelle Schaerbeek noch nicht verloren.