„Anschlag gegen die Pressefreiheit“

■ Polizei durchsucht südkoreanische Oppositionszeitung / Redakteur unter Hausarrest

Seoul (dpa/taz) - Eine Woche vor einem geplanten Friedensmarsch zur Grenze mit Nordkorea spitzt sich die innenpolitische Lage in Südkorea immer weiter zu. 800 Polizisten der Einheit zur Aufstandsbekämpfung stürmten gestern die Redaktion der regierungskritischen Tageszeitung 'Hangyore Shinmun‘ (Die Nation), um angebliches Belastungsmaterial im Zusammenhang mit der Reise eines Oppositionsabgeordneten nach Nordkorea zu beschlagnahmen.

100 Polizisten und 20 Geheimdienstbeamte verschafften sich gewaltsam Zutritt in die Redaktion. Die mit einem gerichtlichen Durchsuchungsbefehl ausgestatteten Beamten konfiszierten u.a. Fotos, die den vor zwei Wochen festgenommenen Abgeordneten Suh Kyung Won in Nordkorea zeigen. Nach Angaben des Chefredakteurs der Zeitung, Chang Yoon Hwan, wurde einer seiner Mitarbeiter unter Hausarrest gesetzt. Man wirft dem Mann vor, von der Reise des Abgeordneten gewußt zu haben.

Nach den südkoreanischen „Sicherheitsgesetzen“ wird Kontaktaufnahme mit dem kommunistischen Norden streng bestraft. 'Hangyore'-Vertreter verurteilten die Aktion als „Angriff auf die Pressefreiheit in Südkorea“. Der Chefredakteur erklärte gegenüber der taz, die Polizeiaktion sei „von obersten Regierungskreisen vorbereitet“. „Sie zeigt, daß die Situation in Südkorea sich im Vergleich zum Vorjahr sehr zugespitzt hat. Die Unterdrückung ist um einiges schlimmer als zuvor.“

Die Zeitung war erst vor mehr als einem Jahr durch eine Spendenkampagne ins Leben gerufen worden und versteht sich als Sprachrohr der Opposition.

Jürgen Kremb