Das Fettpolster der CDU

■ Fast 30 Prozent der WählerInnen sind über 60, dennoch sind die Wahlchancen der „Grauen“ gering

Selbst wenn die frisch gegründeten „Grauen“ tatsächlich in der Lage wären, organisatorisch und finanziell eine Partei aufzubauen, ohne sich dabei in persönliche Querelen und Eitelkeiten zu verstricken - CDU-Generalsekretär Heiner Geißler wird weiter ruhig schlafen können, und auch seine Amtskollegin Anke Fuchs von der SPD braucht keinen Krisenstab einzuberufen. Die Chancen nämlich einer reinen „Altenpartei“ sind äußerst gering.

Und das hat nach den Erfahrungen der Wahlforscher nicht nur mit dem engen Themenspekturm einer solchen Partei zu tun, sondern auch mit ihrer Zielgruppe. Mit knapp 30 Prozent aller Wahlberechtigten stellen die Menschen über 60 zwar ein mächtiges Wählerpotential. Doch besonders umwerben müssen die großen Parteien sie trotzdem nicht. Zuverlässiger noch als jede Hochrechnung waren bisher ihre Stimmen als feste Größe schon vorab einplanbar. Und immer dominierte bei dieser Größe das christdemokratische große C. Egal ob die Konservativen die Rente kürzten, die Rüstung forcierten oder die Sozialleistungen strichen - seit 1965 wählen die über 60 Jährigen zu über 50 Prozent beharrlich CDU/CSU. Und auch als Helmut Kohls Erfolgskurve 1987 bei der letzten Bundestagswahl deutlich nach unten zeigte, waren es wieder die Alten, die ihm die Treue hielten und die Grünen mit kümmerlichen 1,8 Prozent bedienten.

„Doppelten Alterskonservativismus“ nennen die Soziologen dieses Phänomen. Die Alten, so die Entschlüsselung dieses Begriffs, sind nicht nur in ihren politischen Überzeugungen „stockkonservativ“. Sie beharren auch besonders starr auf ihrem einmal eingeschworenem Wahlverhalten. Dennoch registrieren die Experten, daß die Alten in den letzten Jahren „unberechenbarer“ geworden sind und dieser Trend sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird. In zahlreichen Punkten kommen die über 60 Jährigen zudem in Loyalitätskonflike mit der CDU, der sie bisher das krisensichere Stimmpolster lieferten. „Große Wählersprünge sind bei den Alten zwar nicht wahrscheinlich“, meint der Wissenschaftler Dr.Hans Peter Tews, dennoch müßten die Parteien ihre „Seniorenarbeit“ verstärken, um der Gefahr der Gründung von Alten-Parteien entgegenzuwirken.

Die CDU hat diese Warnung schon 1988 befolgt. Mit großem Tamtam wurde auf Bundesebene eine „Seniorenunion“ gegründet, die sich in selbstbewußter Anmaßung gleich zu dem „Sprecher und Anwalt der älteren Generation in der Bundesrepublik“ ernannte. 65.000 Mitglieder zählt das CDU -Pendant zur Jungen Union heute und startet auf blumigen Flugblättern und Pressemeldungen mal eine „Aktion Willkommen“ für Aussiedler, mal ein „Ja zu Europa“. Wie hatte doch schon der Kanzler auf der Gründungsversammlung bestimmt: „Wir sind zuerst und vor allem Mitglieder der CDU.“

Wenn die Grauen Panther nun eine eigene Partei gründen, dann müßte man sie allerdings schon als Konkurrenz betrachten, meint Hans Herbst, im zarten Greisenalter von 42 Jahren Bundesgeschäftsführer der „Seniorenunion“. Dann müßten auch die jetzt noch bei den Grauen Panthern aktiven CDU-Mitglieder mit einem Parteiausschluß rechnen. Bestenfalls 0,8 Prozent der Wählerstimmen würden „Die Grauen“ kriegen, tippt man bei der „Seniorenunion“.

„Zwei bis drei Prozent“ schätzt dagegen Petra Mackroth, mit gerade mal 33 Jahren Referentin für Seniorenpolitik beim Parteivorstand der SPD. „Probleme lassen sich nicht über Lobby-Politik lösen“, wehrt Frau Mackrodt den Gedanken an eine Alten-Partei ab. Die SPD setzt statt dessen auf ihr Konzept von Seniorenbeiräten, die bisher vor Ort von den jeweiligen Parteivorständen ernannt wurden und dort „die altenpolitische Themen in die Gesamtpartei hineintragen sollen“. Die Alten seien doch in den bestehenden Parteien ganz gut aufgehoben, findet man beim SPD-Parteivorstand. Und weil das so ist und weil keinen Erfolg haben kann, was bisher noch niemand ausprobiert hat, fühlt man sich in der „Baracke“ auch nicht von den „Grauen“ bedroht.

Tatsächlich werden die Wahlanalytiker in den nächsten Jahren wohl kaum in die Verlegenheit kommen, am Wahlabend überrascht zu werden und ein extra Computerschaubild für die „Grauen“ hervorzaubern zu müssen. Eines gibt aber auch den Experten zu denken: „Noch zehn Jahre, dann sind auch die 68er alt.“

Ve.