Polenmarkt als Tauschgeschäft

■ Beugte sich der Regierende Bürgermeister bei der Schließung des Polenmarktes einer Drohung von Erich Honecker: Reiseerleichterungen gegen Handelsstopp?

Mit guten Nachrichten kam der Regierende Bürgermeister Walter Momper am 19. Juni von seinem DDR-Besuch zurück: im Gespräch mit Erich Honecker wurden Reiseerleichterungen für Westberliner vereinbart. Hunde und Katzen dürfen mitgenommen werden, und Inhaber von Mehrfachberechtigungsscheinen können das Visa direkt an der Grenze abholen.

Über ein Thema der Diskussionsrunde aber schwieg sich Walter Momper aus - das Ergebnis wurde freilich einen Tag später präsentiert. Auf der Senatssitzung am Dienstag, den 20.Juni, wurde der Polenmarkt verboten. Wie erst jetzt bekannt wurde, hatte der Staatsratsvorsitzende Honecker in dem Gespräch auf die Belastungen der DDR-Ökonomie durch den Polenzustrom nach Berlin Klage geführt und Momper nachdrücklich aufgefordert, für Abhilfe zu sorgen.

Um sich die Reiseerleichterungen zu sichern, willigte Momper ein. Nach Berichten von Teilnehmern an dem Gespräch wies Honecker darauf hin, daß die Polen mit dem in West -Berlin verdienten Geldern die Ostberliner Kaufhäuser heimsuchten. Im Gegensatz zu Westdeutschen und Westberliner Bürgern dürfen Polen legal mit der DDR-Währung in die DDR einreisen.

Ergebnis: Das auf dem Markt verdiente Geld wird in West -Berlin schwarz zum Kurs acht zu eins getauscht und dann in Ost-Berlin umgesetzt. Dann geht's retour nach West-Berlin mit neuer Ware. Das Rätsel, woher die in Polen als absolute Mangelware eingestufte Baby-Kleidung herkommt, wird dadurch gelöst: in Wirklichkeit stammen die Kleidungsstücke nämlich aus der DDR.

Das Presseamt der Senatskanzlei beharrt darauf, keine weiteren Auskünfte zu den beim DDR-Besuch angesprochenen Themen geben zu wollen. Die stellvertretende Senatssprecherin Ingvild Kiele beteuert darüber hinaus, daß in der Senatssitzung, in der der Markt verboten wurde, über Druck aus der DDR „kein Wort fiel“ - was auch nicht behauptet wird.

Einzig beim Finanzsenator, der auch eigene Bedenken gegen den Handelsplatz vor der Nationalbibliothek geltend machte, bestätigt Sprecher Wolfgang Brinkschulte, daß beim Ost -Berlin-Besuch Mompers über das Thema Polenmarkt gesprochen wurde. Auch eigene Erkenntnisse der Finanzbehörde hätten den „Geld- und Warenkreislauf“ zwischen den beiden Teilen der Stadt bestätigt.

Gerd Nowakowski