Kuba: Todesurteile schaffen kein Vertrauen

Mit der Hinrichtung der Koksgeneräle hat Fidel Castro den Glauben an die Revolution in Kuba nicht wiederhergestellt / Was wußte die Regierung von den dunklen Geschäften ihrer Generäle? / Nichts - sagt sie / Die politischen Auswirkungen der Säuberung sind abzusehen  ■  Von Jörg Haffkemeyer

Mexiko-Stadt (taz) - Immer wieder hatte der 29köpfige Staatsrat Kubas in den vergangenen beiden Tagen beraten, und schließlich hatte Präsident Fidel Castro fünf Stunden lang begründet, warum er für die Vollstreckung der Todesstrafe gegen die vier vom Kriegsgericht verurteilten Offiziere sei: Er wolle ein Exempel statuieren, um den Glauben an die Revolution und die Disziplin in der Armee wiederherzustellen.

Am Donnerstag morgen (Ortszeit) wurden dann der Exgeneral Ochoa, der Exoberst de la Guardia, der Exmajor Padron und der Exhauptmann Martinez von einem Erschießungskommando hingerichtet. Damit fand die Kriegsgerichtsverhandlung gegen insgesamt 15 Offiziere der kubanischen Armee, die des Drogen - und Industriegüterschmuggels sowie des Verrats angeklagt gewesen waren, ihren Abschluß. Außer den vier Todesurteilen wurden elf Gefängnisstrafen zwischen zehn und 30 Jahren verhängt.

Die Frage allerdings bleibt, ob damit der gesamte Fall abgeschlossen ist, der sicherlich einige politische Auswirkungen haben wird. So ist bisher von der Partei- und Regierungsspitze die Frage unbeantwortet geblieben, warum der Innenminister und frühere Vertraute Fidel Castros, General Jose Abrantes, wegen Verletzung der Dienstaufsichtspflicht geschaßt wurde, der Verteidigungsminister und Vier-Sterne-General Raul Castro, Bruder des Präsidenten, aber weiterhin im Amt blieb.

Immerhin unterstanden General Ochoa und seine Komplizen mindestens ebenso seinem Befehl wie dem des Innenministers. Fidel Castro hat seinen Bruder in dieser Woche verteidigt und ihn gleich zu Beginn, als der Skandal aufflog, als Saubermann hingestellt. Immerhin war er, das muß hinzugefügt werden, ein enger Freund des jetzt erschossenen Exgenerals. Und der erschossene Exoberst de la Guardia war zusammen mit seinem Bruder, einem zu hoher Gefängnisstrafe verurteilten Brigadegeneral, mit Fidel Castro eng befreundet. Aber gewußt hat die Parteispitze nichts. Sagt sie. Selbst wenn das zutrifft, wird in diesen Tagen vor allem in der Hauptstadt Havanna gefragt, ob es möglich ist, daß in einem Land mit so einem ausgeklügelten Sicherheits- und Überwachungssystem ein solcher Skandal fast drei Jahre unentdeckt blieb.

In diesem Sinn werden natürlich weder das Vertrauen in die Revolution noch die Disziplin in der Armee durch vier Todesstrafen wiederhergestellt. Vielmehr entsteht der Eindruck, daß vier kriminelle Offiziere für etwas erschossen wurden, was von der kubanischen Führung bisher nicht preisgegeben wurde.

Was genau könnte das sein? Die Tatsache vielleicht, daß die Castro-Brüder längst wußten und solange nichts unternahmen, wie der innen- und außenpolitische Druck nicht bedrohlich zunahm? Es gibt kein Land auf dem amerikanischen Kontinent, das nicht auf irgendeine Art und Weise mit Drogenschmuggel zu tun hat. Viele Regierungsvertreter sind darin verwickelt.

Auf Kuba schien das bisher undenkbar. Noch immer kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß sich die Castro -Brüder nicht persönlich bereichert haben. Doch die hochdekorierten und privilegierten Offiziere, die zum Tode und zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, haben ihre Stellung - darin gipfelt der Hauptvorwurf von Partei und Regierung - dazu ausgenutzt, ihren bevorzugten Lebensstil mit Millionen US-Dollar zu finanzieren.

Der Kommentator der wegen ihrer sonstigen Langeweile gefürchteten Parteizeitung 'Granma‘ hat in der letzten Woche immer wieder betont, daß die 15 Offiziere keine politischen Verräter gewesen seien und daß sie die Revolution nicht haben bekämpfen wollen. Das scheint richtig zu sein. Aber zufrieden waren sie mit dem Weg der mittlerweile von alt gewordenen konservativen Herren geführten kubanischen Revolution auch nicht.

Mindestens die beiden De-la-Guardia-Brüder und der General Ochoa hatten genügend Einblick in die Lage des Landes, um das beurteilen zu können. Alle drei sind alte Kampfgefährten der Castros. Niemand von ihnen hatte auf die kubanische Nationalflagge Perestroika oder Glasnost geschrieben. Aber für eine substantielle Veränderung im System waren sie schon. Die ist - jedenfalls bisher gegen Männer wie den Verteidigungsminister Raul Castro, der den Walzer für die höchste kulturelle Ausdrucksform des Tanzes hält und für den seitdem nichts mehr Entscheidendes im Tanz geschehen ist nicht durchzusetzen. Eines scheint jedoch sicher: Der politische Tanz innerhalb von Partei und Regierung hat mit der Vollstreckung der Todesurteile erst richtig begonnen.