Resozialisieren, nicht verwahren

■ Interview mit Ralph Ghadban, Mitarbeiter des Diakonischen Werks, über die Weisung des Senats zum Bleiberecht für Flüchtlinge und ihre Auswirkung für ausländische ehemalige Straftäter

Ghadban ist Leiter der Beratungsstelle für Flüchtlinge aus dem arabischen Raum und zuständig für die Arbeit mit arabischen Straffälligen. Er ist zudem Anstaltsbeirat der JVA Tegel.

taz: Wie bewerten Sie die Weisung des Senats zum Bleiberecht für Flüchtlinge?

Ghadban: Die Weisung führt letztlich die „Altfallregelungen“ der ehemaligen Senatoren Lummer und Kewenig fort. Die neue Weisung versucht zum ersten Mal ernsthaft, das Problem der Sträflinge zu behandeln. Die praktische Umsetzung fehlt aber noch. Da heißt es jetzt, daß bestimmte Straftäter hier bleiben können unter der Bedingung, daß sie an Resozialisierungsmaßnahmen teilnehmen und eine positive Prognose der Anstalt erhalten. Und wenn es so weiterläuft wie bisher, wird sich kaum etwas verbessern.

Wie läuft es denn bisher?

Es geht hier um solche ausländische Straffälligen, die nach Ende der Haft abgeschoben werden sollen. Für diese Menschen werden bislang überhaupt keine Prognosen gestellt. Nur bei Vollzugslockerungen oder einem Antrag auf frühzeitige Entlassung kommt es zu einer Prognose seitens der Anstalt. Von Vollzugslockerungen oder frühzeitigen Entlassungen sind Ausländer aber faktisch ausgeschlossen. Es gibt Ausnahmen aber dann muß nicht nur die Anstaltsleitung, sondern auch die Ausländerbehörde, und bei Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz auch das Rauschgiftdezernat eingeschaltet werden.

An welchen Resozialisierungsmaßnahmen nehmen Ausländer im Strafvollzug bisher teil?

Wenn von Beginn an klar ist, daß nach Verbüßung der Strafe eine Ausreiseverfügung von der Ausländerbehörde besteht, dann wird der Häftling im Gefängnis gar nicht weiter beachtet, sondern faktisch nur verwahrt. Er muß aber doch erstmal in den Haftanstalten an Resozialisierungsmaßnahmen teilnehmen können, damit es dann überhaupt etwas zu prognostizieren gibt.

Von seiten der CDU und der „Republikaner“ wird behauptet, Berlin werde nun zum Tummelplatz für ausländische Straftäter - vor allem aber für Drogenhändler.

Es stimmt, daß viele der 220 ausländischen Insassen im Berliner Strafvollzug wegen Verstoßes gegen das BTM-Gesetz einsitzt. Aber da gibt's doch gewaltige Unterschiede. Da ist der Kurier, der sein Taschengeld in Höhe von 70 Mark Sozialhilfe bekommen hat, dann was schmuggelt und damit 50 oder 100 Mark verdient. Dann gibt es diejenigen Drogenabhängigen, die Straftaten begehen, um ihren eigenen Bedarf zu decken. Und schließlich die großen Fische. Aber da muß man differenzieren.

Auch der ehemalige Innensenator Kewenig hatte in seiner „Altfallregelung“ für ehemalige Straftäter mit Strafen bis zu 90 Tagen die Möglichkeit einer Aufenthaltserlaubnis vorgesehen. Hat sich das in irgendeiner Weise bemerkbar gemacht?

Nach der Kewenig-Regelung ging vor allem die Zahl der kleinen Delikte, wie zum Beispiel Hehlerei und Eigentumsdelikte, zurück. Das ist ja logisch, denn plötzlich hatten die Leute was zu verlieren, nämlich ihre Aufenthaltserlaubnis. Und plötzlich gab es anstelle der ständig drohenden Abschiebung eine Perspektive für sie. Die neue Weisung mit anderen begleitenden Maßnahmen, wie zum Beispiel die Auszahlung der Sozialhilfe, wird die Kriminalität sicher weiter senken und dafür sorgen, daß diese Menschen besser integriert werden können.

Interview: Andrea Böhm