Wiener Anschlag galt Autonomie-Gesprächen

Geheimverhandlungen zwischen iranischen Kurden und Teheraner Regime im Fadenkreuz der Attentäter / Hochrangiger iranischer Diplomat und Rafsandschani-Vertrauter an Verhandlungen beteiligt / Spekulationen und Schuldzuweisungen über Hintergründe der Tat  ■  Von Beate Seel

Berlin (taz) - Die Wiener Wohnung, in der am Donnerstag drei kurdische Politiker erschossen und ein Iraner mit Diplomatenpaß verletzt wurden, war Schauplatz von Geheimverhandlungen zwischen der Teheraner Regierung und der „Demokratischen Partei Kurdistan/Iran“ (KDP). Dies wurde von der iranischen Botschaft in Wien und kurdischen Kreisen bestätigt. Kurdischen Angaben zufolge handelte es sich bei der Begegnung vom letzten Donnerstag bereits um das zweite Treffen in einer Woche. Dem Anschlag zum Opfer fielen der Generalsekretär der KDP, Abdol Rahman Ghassemlou, sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azarund der irakische Kurde Fadel Mala Mahmoud Rasoul.

Nähere Informationen über den Kreis der Opfer zeigen, daß es sich um ein Spitzentreffen zwischen kurdischen Politikern und einem einflußreichen iranischen Diplomaten handelte, das vermutlich von der „Patriotischen Union Kurdistan“ (PUK/Irak) vermittelt worden war. Thema der Gespräche war eine Autonomie-Regellung für iranisch-Kurdistan. Rasul, der ermordete irakische Kurde, stand politisch der PUK nahe. Er gehörte in der Vergangenheit verschiedenen kurdischen oder linken Organisationen an. Bei dem verletzten Iraner handelt es sich um Mohammed Jaafari Saharoodi, der auch unter dem Namen Rahimi auftrat. Er ist ein enger Vertrauter des iranischen Parlamentspräsidenten und Präsidentschaftskandidaten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani. Jaafari nimmt eine hohe Position bei den iranischen Revolutionsgardisten ein und ist zuständig für das iranisch -irakische Grenzgebiet. Er unterhielt auch die Konkate zwischen der Teheraner Regierung und irakischen Kurdenorganisationen.

Vor den Geheimverhandlungen in der letzten Woche in Wien hatte es bereits frühere Gesprächsrunden gegeben, die von der iranischen Seite aus bislang unbekannten Gründen abgebrochen wurden. Kurdische Gesprächspartner vermuteten interne Auseinandersetzungen in Teheran. Bemerkenswert ist, daß sie nach dem Tod Chomeinis wieder aufgenommen wurden. In Kreisen der PUK wurde darauf verwiesen, daß Chomeini in seinem Testament verfügt habe, die Kurdistan-Frage solle geregelt werden.

Über die Täter kann nach wie vor nur spekuliert werden. Tatsache ist, daß die Treffen in Wien unter außergewöhnlich strenger Geheimhaltung abgewickelt wurden. Angesichts des professionellen Vorgehens der Killer wird es für wenig wahrscheinlich gehalten, daß es sich bei den Tätern um konkurrierende Kurdengruppen handelt. Derzeit werden vor allem zwei Theorien diskutiert: Zum einen, so heißt es, könne es sich um radikale Kreise in der iranischen Führung handeln, die den Kurden eine Falle gestellt hätten. Zum anderen könne auch die Führung in Bagdad (beziehungsweise mit ihr zusammenarbeitende Gruppen) hinter dem Anschlag stecken, da die irakische Regierung kein Interesse an einer Autonomie im iranischen Teil Kurdistans entlang ihrer Grenze habe.

Die oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin machten unterdessen das Teheraner Regime für die Tat verantwortlich, das seinerseits die Hintermänner in Bagdad vermutete. Die irakischen Botschaft in Wien verwies demgegenüber auf „Agenten des iranischen Geheimdienstes“.